Juli und August 2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen zur Sommerausgabe unseres Newsletters für die Monate Juli und August! Wir freuen uns, Ihnen wieder die aktuellsten Informationen zu steuerlichen und rechtlichen Themen präsentieren zu dürfen.
In dieser Ausgabe haben wir für Sie die neuesten Entwicklungen und wichtigsten Änderungen zusammengestellt, die sowohl für Ihr Unternehmen als auch für Ihre persönlichen Finanzen von Bedeutung sein könnten.
Eine wichtige Neuerung möchten wir Ihnen mitteilen: Ab September wird unser Newsletter immer Anfang des Monats erscheinen. So können Sie sicher sein, dass Sie gleich zu Monatsbeginn über die neuesten und relevantesten Informationen verfügen.
Wir stehen Ihnen wie immer für Fragen oder weitere Informationen gerne zur Verfügung.
Viele Grüße
Ihr Team von SCHAUER HÄFFNER & PARTNER
Steuerzahlungstermine
Lohn-/Kirchensteuer
Fällig am: 12. August 2024
Überweisung bis: 15. August 2024
Umsatzsteuer
Fällig am: 12. August 2024
Überweisung bis: 15. August 2024
Grundsteuer
Fällig am: 15. August 2024
Überweisung bis: 19. August 2024
Gewerbesteuer
Fällig am: 15. August 2024
Überweisung bis: 19. August 2024
Lohn-/Kirchensteuer
Fällig am: 10. September 2024
Überweisung bis: 13. September 2024
Umsatzsteuer
Fällig am: 10. September 2024
Überweisung bis: 13. September 2024
Einkommensteuer
Fällig am: 10. September 2024
Überweisung bis: 13. September 2024
Körperschaftsteuer
Fällig am: 10. September 2024
Überweisung bis: 13. September 2024
Weitere Termine
28. August 2024
Übermittlung Beitragsnachweise für August 2024
26. August 2024
Zusammenfassende Meldung Juli 2024
28. August 2024
Fälligkeit (voraussichtliche) Beitragsschuld August 2024 zzgl. restliche Beitragsschuld Juli 2024
24. September 2024
Übermittlung Beitragsnachweise für September 2024
24. September 2024
Zusammenfassende Meldung August 2024
26. September 2024
Fälligkeit (voraussichtliche) Beitragsschuld September 2024 zzgl. restliche Beitragsschuld August 2024
- Energiepreispauschale darf besteuert werden
- Was gilt bei nicht ausgezahlten Tantiemen bei beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer?
- Teil-Anerkennung einer Pensionszusage und Rückstellung
- Leasingsonderzahlung bei Nutzungseinlage von Fahrtkosten
- Aufsichtsratsmitglied: Wann liegt Unternehmereigenschaft vor?
- Vorliegen eines einheitlichen Gewerbebetriebs
- Catering: Alkoholkonsum und verletzte Aufzeichnungspflichten
- Anbieten von Kraftfahrzeugen und Standplatzvermietung
- Kombinierte Sportschwimmbad- und Saunanutzung: Welcher Umsatzsteuersatz gilt?
- Welcher Steuersatz gilt für der Überlassung von Parkplätzen an Hotelgäste?
- Nach Außenprüfung: Wie können bestandskräftige Bescheide korrigiert werden?
- Steuergeheimnis: Was darf im Außenprüfungsbericht stehen?
- Zur Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften
- Erbschaftsteuer: Nicht jede Betriebsverpachtung an den Erben ist begünstigt
- Schenkungsteuer bei der Errichtung einer Familienstiftung
- Steuerbefreite Photovoltaikanlagen: Investitionsabzugsbeträge können rückgängig gemacht werden
- Baufälliges Denkmal: Kein Grundsteuererlass
- Eilanträge zum neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht erfolgreich
- Bemessungsgrundlage für die Steuerfreiheit bei Nachtzuschlägen
- Wann die Kosten für ein Führungszeugnis kein steuerbarer Arbeitslohn sind
- Mitarbeiterbeteiligungsprogramme: Ausschluss von Arbeitnehmern
- Nettolohnvereinbarung: Steuererstattungen und Kindergeld
- Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen: Was zählt zum Schonvermögen und was nicht?
- Formaldehydbelastung: Sind Baumaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen abziehbar?
- Begrenzung der rückwirkenden Auszahlung von Kindergeld: Auch für Zeiträume vor dem 18.7.2019?
- Recht auf Einsicht in Steuerakten?
- Scheinselbstständigkeit: Reitlehrerin ohne eigene Pferde
- Unfall ohne Fahrerlaubnis und Regress der Versicherung
- Muss eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH das beA nutzen?
- So gelingt ein rechtssicherer Nachweis des Zugangs von Erklärungen
- Kündigung wegen Verstoß gegen Kleidervorgaben wirksam?
Energiepreispauschale darf besteuert werden
Die im Jahr 2022 an Arbeitnehmer ausgezahlte Energiepreispauschale in Höhe von 300 EUR gehört zu den steuerbaren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Der zugrunde liegende § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG ist nicht verfassungswidrig.
Hintergrund
Der Kläger erhielt im Jahr 2022 von seinem Arbeitgeber die Energiepreispauschale (EPP) i. H. v. 300 EUR ausgezahlt. Das Finanzamt berücksichtigte diese im Einkommensteuerbescheid für 2022 als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Im Einspruchsverfahren und sodann im Klageverfahren machte der Kläger geltend, dass die Energiepreispauschale keine steuerbare Einnahme sei. Es handele sich um eine Subvention des Staates, die in keinem Veranlassungszusammenhang zu seinem Arbeitsverhältnis stehe. Sein Arbeitgeber sei lediglich als Erfüllungsgehilfe für die Auszahlung der Subvention tätig geworden.
Entscheidung
Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass der Gesetzgeber die Energiepreispauschale in § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG konstitutiv den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zugeordnet habe. Auf einen Veranlassungszusammenhang mit der eigenen Arbeitsleistung komme es daher nicht mehr an.
§ 119 Abs. 1 Satz 1 EStG sei auch verfassungsgemäß. Für die dort geregelte Besteuerung der Energiepreispauschale sei der Bundesgesetzgeber gemäß Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG zuständig gewesen, da ihm die Einkommensteuer (teilweise) zufließe.
Auch der Vortrag des Klägers, dass die Regelungen zur Energiepreispauschale systemwidrig seien bzw. sich nicht in das bestehende System des EStG einfügen würden, lässt nach Auffassung des FG keinen Verfassungsverstoß erkennen. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erstrecke sich auch darauf, den Tatbestand der der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte frei zu gestalten und den Umfang der Einkunftsarten selbst festzulegen. Es stand ihm daher frei, die Zuordnung der Energiepreispauschale zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit vorzunehmen und dies durch Rechtsfolgenverweis konstitutiv festzuschreiben. Selbst wenn man hierfür eine Rechtfertigungsbedürftigkeit annehmen wollte, läge dieser Entscheidung wiederum der Zweck der sozial gerechten Verteilung der Energiepreispauschale zugrunde.
Was gilt bei nicht ausgezahlten Tantiemen bei beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer?
Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu, auch wenn eine dahingehende Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den festgestellten Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen.
Hintergrund
Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Laut Geschäftsführervertrag erhält er für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt. Des Weiteren ist ihm darin eine Tantieme i. H. v. 20 % des Jahresgewinns zugesagt, die einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung zu zahlen und der Höhe nach auf maximal 30 % der Festvergütung begrenzt ist.
Die vereinbarten Tantiemen wurden dem Kläger in den Streitjahren (2015 bis 2017) weder ausgezahlt noch hat die GmbH in den Jahresabschlüssen entsprechende Passivposten gebildet.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gab der Kläger Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit ohne Tantiemen an. Das Finanzamt ging davon aus, dass auch die nicht ausgezahlten Tantiemen jeweils in der vereinbarten Höhe von 20 % des Gewinns des Vorjahres vom Kläger als Arbeitslohn zu versteuern seien. Denn bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer gälten Tantiemen zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung als zugeflossen. Ob sie tatsächlich ausgezahlt worden seien, sei unerheblich, da es der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst in der Hand habe, sich die Tantiemen auszahlen zu lassen.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt.
Entscheidung
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Nach ständiger Rechtsprechung trete der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Das sei i. d. R. der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs. Geldbeträge flössen danach zu, wenn sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben würden.
Der BFH gehe zudem in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift vorliegen könne. Danach flössen dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter habe es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig sei. Allerdings würden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schulde und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt hätten. Fällig werde der Anspruch auf Tantiemen erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbarten.
Die GmbH habe die Tantiemeforderungen des Klägers in ihren Jahresabschlüssen nicht als Verbindlichkeit abgebildet. Diese Jahresabschlüsse habe die Gesellschafterversammlung der GmbH entsprechend festgestellt. Folglich seien die streitigen Tantiemeansprüche nicht fällig. Ob die dahingehenden Verbindlichkeiten nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung hätten passiviert werden müssen, sei insoweit unerheblich. Denn ein dahingehender Pflichtenverstoß könne die Fälligkeit einer im festgestellten Jahresabschluss nicht enthaltenen Tantiemeforderung nicht begründen. Deshalb sei insoweit auch ohne Bedeutung, ob die fehlende Passivierung einer Verbindlichkeit einem Buchungsfehler geschuldet sei, oder ob eine Bilanzierung aus anderen Gründen von vornherein nicht in Betracht komme, etwa weil die Tantiemezusage vor der Entstehung der darin vereinbarten Tantiemeansprüche einvernehmlich aufgehoben worden sei.
Die Feststellungen des FG reichten allerdings nicht aus, um entscheiden zu können, ob dem Kläger die Forderungswerte der Tantiemeansprüche zugeflossen seien, weil er durch einen Verzicht auf seine Tantiemeansprüche eine verdeckte Einlage in die GmbH erbracht habe.
Es fehle vorliegend an Feststellungen des FG, warum die Tantiemen nicht ausgezahlt bzw. entsprechende Forderungen des Klägers nicht als Verbindlichkeiten passiviert worden seien.
Insbesondere sei aus den Akten nicht zu erkennen, ob der Kläger einvernehmlich mit der GmbH die Tantiemezusage vor der Entstehung der Tantiemeansprüche zum jeweiligen Jahresende aufgehoben habe, oder ob der Kläger auf die bereits entstandenen Tantiemeansprüche verzichtet habe. Nur in letzterem Fall wäre eine verdeckte Einlage der Forderungswerte der Tantiemeansprüche in die GmbH zu bejahen.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob und falls ja, wann der Kläger auf die in dem Geschäftsführervertrag vereinbarten Tantiemeansprüche gegenüber der GmbH verzichtet habe.
Teil-Anerkennung einer Pensionszusage und Rückstellung
Fehlt es an einer Eindeutigkeit der Zusage einer Versorgungskomponente, hindert dies eine Rückstellung für die Zusage einer anderen Versorgungskomponente nicht. Sind daher die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente mit Erreichen der Regelaltersgrenze eindeutig bestimmt, ist hierfür eine Pensionsrückstellung zu bilden, auch wenn die Pensionszusage keine eindeutigen Angaben zu den Voraussetzungen eines vorzeitigen Altersrentenbezugs enthält.
Hintergrund
Die Klägerin – eine GmbH – wurde im Jahr 1984 errichtet. Alleinige Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer waren bis zum 11.1.2010 der im Jahr 1951 geborene Z und der im Jahr 1953 geborene Y. Auf der Grundlage eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses aus dem Jahr 1984 erteilte die Klägerin beiden Geschäftsführern am 1.11.1985 inhaltsgleiche Pensionszusagen (Altersrente bei Ausscheiden aus der Firma mit Erreichen der Altersgrenze = 66,67 % des Aktivgehalts pro Monat). Zugleich wurde eine Witwenrente zugunsten der jeweiligen Ehepartner (60 % der Anwartschaft auf Altersrente) vereinbart.
Am 1.10.1992 wurden die Pensionszusagen unter Aufhebung der Ursprungszusagen neu gefasst. Als Altersgrenze wurde der letzte Tag des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wurde, festgelegt. Zugleich wurde bestimmt:
"Sie haben auch die Möglichkeit, zu einem früheren oder einem späteren Zeitpunkt als der Vollendung des 65. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der Firma eine Altersrente zu beziehen. Aufgrund der kürzeren bzw. längeren Dienstzeit und entsprechend längeren bzw. kürzeren Gewährungsdauer der Rente wird die mit dem 65. Lebensjahr erreichbare Rente um 0,4 % pro Monat des vorzeitigen Bezugs der Altersrente gekürzt bzw. um 0,4 % pro Monat der längeren Dienstzeit erhöht. Der vorzeitige Bezug der Rente ist jedoch entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung auf das 62. Lebensjahr begrenzt."
Zugleich wurde ein Anspruch auf Witwenrente zugesagt, wenn die Ehe mit der anspruchsberechtigten Partnerin mindestens 5 Jahre vor dem Erreichen der Altersgrenze geschlossen wurde und zum Zeitpunkt des Todes noch bestand.
Am 1.10.1994 erteilte die Klägerin (erneut) im Wesentlichen inhaltsgleiche Pensionszusagen (mit dem Zusatz: "Mit Wirkung dieser Zusage erlischt die Zusage vom 1.11.85"); allerdings heißt es zur Altersgrenze:
"Die Altersgrenze ist der letzte Tag des Monats, in dem sie ihr 65. Lebensjahr vollenden. Sie haben auch die Möglichkeit, zu einem früheren oder einem späteren Zeitpunkt als der Vollendung des 65. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der Firma eine Altersrente zu beziehen. Aufgrund der kürzeren bzw. längeren Dienstzeit und entsprechend längeren bzw. kürzeren Gewährungsdauer der Rente wird die mit dem 65. Lebensjahr erreichbare Rente um 0,4 % pro Monat der längeren Dienstzeit erhöht. Der vorzeitige Bezug der Rente ist jedoch entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich."
Am 30.9.1996 genehmigte die Gesellschafterversammlung "soweit nicht bereits in der Vergangenheit geschehen, die bisher erteilten Versorgungszusagen, ggf. mit Nachträgen".
Im Januar 2010 übertrugen Z und Y ihre Geschäftsanteile auf ihre Söhne S und T und legten ihre Ämter als Geschäftsführer nieder; im Anschluss daran wurden S und T zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Klägerin bestellt. Die Altgesellschafter beziehen seit Februar 2011 bzw. seit September 2013 eine vorzeitige Altersrente.
Im Rahmen einer für die Jahre 2009 bis 2012 (Streitjahre) durchgeführten Außenprüfung kam der Fachprüfer für betriebliche Altersversorgung zu der Einschätzung, dass Z und Y – als im Hinblick auf die ihnen erteilten Pensionszusagen beherrschende Gesellschafter – nach Veräußerung der Geschäftsanteile (im Alter von 58 Jahren und 11 Monaten bzw. von 56 Jahren und 4 Monaten) aus den Diensten der Klägerin ausgeschieden seien. Für diesen Fall ließen die Zusagen nach ihrem Wortlaut keinen vorzeitigen Bezug von Altersrente zu. Aufgrund des vorzeitigen (vor dem 60. Lebensjahr erfolgten) Ausscheidens sei ein zusagegemäßer Altersrentenbezug erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres zulässig gewesen. Durch die zusagewidrig erfolgten vorzeitigen Rentenzahlungen an Z und Y werde die Veranlassung der Zusagen durch das Gesellschaftsverhältnis evident. Bei den Rückstellungszuführungen der Jahre ab 2009 handele es sich daher ebenso wie bei den monatlichen Rentenzahlungen um verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).
Die Außenprüferin war der Ansicht, ausweislich des vorgelegten Gesellschafterbeschlusses aus dem Jahr 1984 sei anlässlich der Gesellschafterversammlung keine Konkretisierung hinsichtlich der zu erteilenden Pensionszusagen erfolgt, so dass die Pensionsrückstellung aufzulösen sei. Zudem sehe die gesetzliche Rentenversicherung einen Rentenbezug mit Vollendung des 60. Lebensjahres nicht vor. Für 2009 sei die Pensionsrückstellung in voller Höhe aufzulösen. Für die Jahre 2010 bis 2012 seien die in den Steuerbilanzen erfolgten Zuführungen rückgängig zu machen.
Sowohl der Einspruch als auch die später erhobene Klage blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen. Denn das FG habe die Rechtsfolgen der Uneindeutigkeit der Pensionszusage nicht zutreffend bestimmt.
Erforderlich ist, dass sich der Inhalt der Zusage zweifelsfrei feststellen lässt. Zweck dieser formalen Voraussetzung der Rückstellungsbildung ist die Beweissicherung. Es soll vermieden werden, dass über den Umfang der Pensionszusage, insbesondere über die für die Bemessung wesentlichen Faktoren (z. B. Zusagezeitpunkt, Leistungsvoraussetzungen, Widerrufsvorbehalte) Unklarheiten bestehen. Erforderlich ist damit, dass sich der Inhalt der Zusage zweifelsfrei feststellen lässt, und zwar sowohl über den Grund (Art, Form, Voraussetzungen, Zeitpunkt) der Zusage als auch deren Höhe. Die Anforderungen beziehen sich auf den jeweiligen Bilanzstichtag und betreffen damit nicht lediglich die ursprüngliche Zusage, sondern auch deren spätere Änderung.
Die Feststellung, ob und in welcher Form und mit welchem Inhalt im Einzelfall eine Pensionszusage erteilt worden ist, obliegt grundsätzlich dem FG als Tatsachengericht. Dieses hat insbesondere zu ermitteln, was die Erklärenden geäußert und was sie bei der Erklärung subjektiv gewollt haben. Zur Tatsachenfeststellung gehört ferner die Erforschung der für die Auslegung maßgeblichen Begleitumstände der Abgabe einer Willenserklärung oder eines Vertragsschlusses.
Nach diesen – von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen – Maßstäben ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG von einer steuerschädlichen Uneindeutigkeit der Pensionszusage hinsichtlich der Zusage einer Altersversorgung der Begünstigten (vorzeitiger Bezug) ausgegangen ist. Das FG hat den Inhalt der Pensionszusage, soweit es um einen vorzeitigen Rentenbezug geht, nicht zweifelsfrei bestimmen können.
Der Wortlaut der Regelung ("Sie haben auch die Möglichkeit, zu einem früheren oder einem späteren Zeitpunkt als der Vollendung des 65. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der Firma eine Altersrente zu beziehen") könnte nach Ansicht des FG in dem Sinne verstanden werden, dass unmittelbar mit dem Ausscheiden der tatsächliche Rentenbezug einsetzen muss. Diese Formulierung liegt ein Verständnis in dem Sinne nahe, dass der Rentenbeginn mit dem Ausscheiden aus der Firma zusammenfalle. Die Pensionszusage könnte aber auch in einem anderen Sinne verstanden werden. Nach dem Wortlaut der Regelung ist der vorzeitige Bezug der Rente nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich. Dies kann auch in dem Sinne verstanden werden, dass zuvor lediglich auf das Ausscheiden vor Vollendung des 65. Lebensjahres abgestellt wird, ohne dass dieses frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgt, der Begünstigte die Altersrente aber erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres erhält.
Die Vorinstanz hat schließlich auch die weitere vertragliche Bestimmung zum Rentenbeginn, wonach der vorzeitige Bezug der Rente entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich ist, als unklar gewürdigt. Denn diese könne so verstanden werden, dass die Bezugnahme auf die gesetzliche Rentenversicherung lediglich der Festlegung der konkreten Altersgrenze als frühestem im SGB überhaupt genannten Zeitpunkt für den Bezug einer Altersrente diene. Es komme aber auch die Deutung in Betracht, dass für den vorzeitigen Rentenbezug die dafür im SGB genannten besonderen Voraussetzungen vorliegen müssten.
Die Begriffe "wenn und soweit" haben in der Gesetzessprache eine gängige Bedeutung. Die Konjunktion "soweit" wird verwendet, wenn die Bedingung einen Spielraum eröffnen soll, die Rechtsfolge damit nur in dem durch die Regelung festgelegten Umfang gelten soll, während das "wenn" eine uneingeschränkte oder absolute Bedingung kennzeichnet, die die Rechtsfolge ganz ausschließt oder ganz zulässt.
Rechtsfolge des § 6a EStG ist der (zulässige) Ansatz einer Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz. Mit der Formulierung "wenn und soweit" wird demnach der Ansatz der Rückstellung nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach ("Umfang") angeordnet.
Neben der steuerlichen Nichtanerkennung und der steuerlichen (Voll )Anerkennung kann es folglich auch zu einer steuerlichen Teil-Anerkennung von Pensionszusagen kommen. Eine Teil-Anerkennung, also insbesondere ein in der Höhe beschränkter Ansatz der Rückstellung, ist z. B. dann möglich, wenn unterschiedliche künftige Leistungen in Aussicht gestellt werden, etwa eine Altersversorgung, eine Hinterbliebenenversorgung und/oder eine Versorgung im Fall der Invalidität, und die Voraussetzungen nicht in Bezug auf jedes (Teil- )Leistungsversprechen erfüllt sind. Da alle Voraussetzungen für die Rückstellung den Begriff der "Leistungen" enthalten, ist folglich jedes abtrennbare Leistungsversprechen hinsichtlich der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen gesondert in den Blick zu nehmen, wie auch unabhängig von dem Umstand einer "einheitlichen Pensionsverpflichtung" die einzelnen Leistungsarten jeweils eigenständig zu bewerten sind und die Summe der Einzelbeträge die Rückstellungshöhe bestimmen.
Die in den Streitjahren 2011 und 2012 von der Klägerin geleisteten Rentenzahlungen an Z und Y hat die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht als vGA qualifiziert. Die Zahlungen sind deshalb als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzusehen, weil die den Zahlungen zugrunde liegenden Vereinbarungen dem sog. formellen Fremdvergleich nicht genügen.
Die Pensionszusagen zugunsten von Z und Y im Hinblick auf die Voraussetzungen für einen vorzeitigen Altersrentenbezug sind nicht eindeutig. Deshalb ist unklar, ob Rentenzahlungen vor Erreichen des 65. Lebensjahres überhaupt beansprucht werden konnten oder nicht. Es spricht nichts dafür, dass sich die Anforderung, die an die Eindeutigkeit einer Leistungszusage gestellt werden, von dem Eindeutigkeitserfordernis im Rahmen des formellen Fremdvergleichs unterscheiden könnte.
Da das FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung keine tatsächlichen Feststellungen zur Bemessung der zu bildenden Rückstellung getroffen hat, sind diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG insbesondere auch zu prüfen haben, ob mit Blick auf die zu bildende Pensionsrückstellung für alle Streitjahre eine außerbilanzielle Korrektur unter dem Gesichtspunkt der vGA vorzunehmen ist. Eine solche Korrektur kommt im Streitfall etwa unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass den Geschäftsführern Z und Y eine Pensionszusage möglicherweise vor Ablauf einer angemessenen Probezeit gewährt worden ist.
Leasingsonderzahlung bei Nutzungseinlage von Fahrtkosten
Zur Ermittlung der jährlichen Gesamtaufwendungen für betriebliche Fahrten im Rahmen einer Nutzungseinlage ist eine Leasingsonderzahlung, die für ein teilweise betrieblich genutztes Fahrzeug aufgewendet wird, den einzelnen Veranlagungszeiträumen während der Laufzeit des Leasingvertrags unabhängig vom Abfluss im Rahmen einer wertenden Betrachtung zuzuordnen.
Hintergrund
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2013 u. a. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung.
Der zwischen dem Kläger und der Leasinggeberin geschlossene Vertrag hatte eine Laufzeit von 36 Monaten und begann nach den vertraglichen Vereinbarungen an dem zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Tag der Fahrzeugübergabe. Er sah keine Kaufoption oder Möglichkeit der Vertragsverlängerung für den Kläger vor; eine Beteiligung des Klägers an möglichen Veräußerungserlösen war ebenfalls nicht vereinbart. Des Weiteren war der Kläger zur Zahlung monatlicher Leasingraten verpflichtet. Die Leasingsonderzahlung war spätestens bei der Übernahme des Fahrzeugs zu leisten und wirkte sich auf die Höhe der monatlichen Leasingraten mindernd aus.
Der Kläger leistete am 8.12.2013 für das Fahrzeug eine Leasingsonderzahlung i. H. v. 43.424,15 EUR (36.490,88 EUR zzgl. 6.933,27 EUR Umsatzsteuer). Das Fahrzeug wurde vereinbarungsgemäß an ihn am darauffolgenden Tag ausgeliefert. Nach Ablauf der Leasingdauer gab der Kläger das Fahrzeug an die Leasinggeberin zurück.
Im Dezember 2013 wurde das Fahrzeug zu 71,3 % betrieblich und zu 12,96 % im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung genutzt. In den darauffolgenden Jahren betrug die Nutzung des Fahrzeugs bei den beiden Einkunftsarten insgesamt jeweils zwischen 10 % und 20 %.
Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung 2013 83,99 % der Leasingsonderzahlung (30.648,69 EUR netto) als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt erkannte den Betriebsausgabenabzug jedoch nur mit 1/36 von 83,99 % an.
Im anschließenden Einspruchsverfahren vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass das durch den Leasingvertrag begründete Nutzungsrecht aufgrund der mehr als 50-prozentigen betrieblichen Nutzung im Streitjahr als immaterielles Wirtschaftsgut dem notwendigen Betriebsvermögen zuzurechnen und die Nutzungsentnahme für private Fahrten nach der 1 %-Methode zu ermitteln sei. Es setzte die Einkommensteuer nach Anhörung zur Verböserung in der Einspruchsentscheidung höher fest.
Das FG gab der Klage teilweise statt. Entgegen der Auffassung des Finanzamts führe das obligatorische Nutzungsrecht des Klägers aus dem Leasingvertrag nicht zur Anwendung der 1 %-Regelung, da das Nutzungsrecht nicht zum Betriebsvermögen des Klägers gehöre. Die Leasingsonderzahlung sei im Jahr 2013 sofort abzugsfähig entsprechend des laufzeitbezogenen Anteils der unternehmerischen Nutzung i. H. v. 12,16 % (4.437,29 EUR netto) bei den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und i. H. v. 6,24 % (2.277,03 EUR) bei den Vermietungseinkünften.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass das FG hinsichtlich der Höhe des im Streitjahr im Rahmen einer Nutzungseinlage abzugsfähigen Teils der Leasingsonderzahlung bei den Einkünften des Klägers aus selbstständiger Arbeit zugunsten der Kläger rechtsfehlerhaft einen zu weitgehenden Abzug berücksichtigt habe. Der von den Klägern begehrte höhere anteilige Abzug der Leasingsonderzahlung als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit komme nicht in Betracht. Da das FG der Klage zu weitgehend stattgegeben und zu hohe Betriebsausgaben zugesprochen habe, wäre der überschießende Betrag zu Lasten der Kläger mit den begehrten höheren Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung zu saldieren. Da die zu Unrecht zugunsten der Kläger berücksichtigten Betriebsausgaben die mit der Revision geltend gemachten weiteren Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung übersteigen würden, könne die Revision auch insoweit keinen Erfolg haben.
Eine Zuordnung des Leasingfahrzeugs als Wirtschaftsgut des notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögens komme nicht in Betracht, sodass die Leasingsonderzahlung nicht zu den Anschaffungskosten für ein solches Wirtschaftsgut gehöre. Der Kläger sei nicht rechtlicher und aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit der Leasinggeberin (Laufzeit, keine Kauf- bzw. Verlängerungsoption für den Kläger, keine Beteiligung am Veräußerungserlös) auch nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Fahrzeugs.
Bei der Leasingsonderzahlung handele es sich auch nicht um Anschaffungskosten für ein obligatorisches Nutzungsrecht im Betriebsvermögen des Klägers. Zu den Anschaffungskosten eines obligatorischen Nutzungsrechts gehörten zwar einmalige Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss anfielen oder die als Entgelt für das Zustandekommen des Vertrags geleistet würden; hierzu zählten jedoch nicht vorausgezahlte Nutzungsentgelte wie die Leasingsonderzahlung.
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sei zwar auch auf zu mehr als 50 % betrieblich genutzte Fahrzeuge anzuwenden, die der Steuerpflichtige, ohne deren wirtschaftliches Eigentum erlangt zu haben, lediglich als Leasingnehmer nutze. Diese Zuordnung würde im Streitfall zum Betriebsausgabenabzug der Leasingsonderzahlung und für die Privatnutzung zum Ansatz einer Nutzungsentnahme im Streitjahr führen. Die Voraussetzungen für eine solche Gleichbehandlung des klägerischen Fahrzeugs mit Fahrzeugen des notwendigen Betriebsvermögens seien jedoch nicht erfüllt, da der Kläger das Fahrzeug nur vorübergehend und nicht dauerhaft in einem Umfang von über 50 % betrieblich genutzt habe. Ob ein betrieblicher Nutzungsanteil von mehr als 50 % erreicht werde, sei bei Anwendung der Vorschrift auf Leasingfahrzeuge wie bei Geltendmachung der Zuordnung eines im rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum des Steuerpflichtigen stehenden Fahrzeugs zum notwendigen Betriebsvermögen nach der dauerhaft beabsichtigten eigenbetrieblichen Nutzung und nicht nur nach den Nutzungsverhältnissen im Anschaffungsjahr zu bestimmen. Über die Gesamtnutzungsdauer von 36 Monaten betrage die betriebliche Nutzung des Fahrzeugs nur 12,16 % der gefahrenen Gesamtstrecke. Die betriebliche Nutzung von über 50 % nur im Dezember 2013 sei danach nicht geeignet, die Betriebsvermögenseigenschaft des Nutzungsrechts zu begründen.
Die Höhe der für eine Nutzungseinlage anzusetzenden Betriebsausgaben bestimme sich nach den auf die betriebliche Nutzung entfallenden tatsächlichen Aufwendungen. Zur Bestimmung des Werts der Nutzungseinlage seien die jährlichen Gesamtaufwendungen für das Wirtschaftsgut – einschließlich sämtlicher fixer Kosten und der AfA – in einen betrieblichen und einen privaten Anteil aufzuteilen und zuzuordnen. Aufteilungsmaßstab bei Kraftfahrzeugaufwendungen sei grundsätzlich das Verhältnis der betrieblichen oder beruflichen und privaten Nutzungsanteile nach den jeweils gefahrenen Kilometern im Verhältnis zur Gesamtstrecke.
Um den auf die betrieblichen Fahrten des Streitjahrs entfallenden Anteil der Leasingsonderzahlung an den jährlichen Gesamtaufwendungen zu bestimmen, bedürfe es neben der streckenbezogenen Aufteilung eines weiteren zeitbezogenen Aufteilungsmaßstabs.
Da es sich bei der Leasingsonderzahlung im Streitfall um ein vorausgezahltes Nutzungsentgelt handele, das dem Zweck diene, die Leasingraten während der Gesamtlaufzeit des Leasingvertrags zu mindern, finanziere die Leasingsonderzahlung maßgeblich auch die Nutzung des Fahrzeugs für Privatfahrten, betriebliche Fahrten und Fahrten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Folgejahren. Den jährlichen Gesamtaufwendungen für die betrieblichen Fahrten des Streitjahres sei aber nur der durch diese Fahrten veranlasste Anteil der Leasingsonderzahlung zuzuordnen.
Der auf das Streitjahr entfallende Anteil der Leasingsonderzahlung an den tatsächlichen Gesamtaufwendungen für die betrieblichen Fahrten sei wegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs der Leasingsonderzahlung zu allen Fahrten während des vertraglich bestimmten Leasingzeitraums und des damit vorliegenden multikausalen Veranlassungszusammenhangs im Rahmen einer wertenden Betrachtung typisierend nach dem Verhältnis der auf das jeweilige Streitjahr entfallenden vollen Monate zum Gesamtleasingzeitraum zu bestimmen.
Die Leasingsonderzahlung mindere nach dem Leasingvertrag die Höhe der monatlichen Leasingraten gleichmäßig über die gesamte Vertragslaufzeit. Sie sei daher bei der Ermittlung der jährlichen Gesamtaufwendungen für die betrieblichen Fahrten unabhängig vom Abflusszeitpunkt linear auf den Vertragszeitraum zu verteilen.
Zu den tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzungseinlage gehörten im Streitjahr mithin ein Anteil der Leasingsonderzahlung i. H. v. 1/36 x 71,03 % der gesamten Leasingsonderzahlung (719,99 EUR netto).
Da das FG den Betriebsausgabenabzug für die Leasingsonderzahlung um 3.717,31 EUR netto zu hoch vorgenommen habe, könne die Revision auch mit dem weiteren Begehren, die Leasingsonderzahlung i. H. v. 4.729,22 EUR netto (12,96 % der Leasingsonderzahlung) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung statt wie bisher mit 6,24% der Leasingsonderzahlung, d. h. 2.277,03 EUR (Differenz 2.452,19 EUR), zu berücksichtigen, keinen Erfolg haben.
Aufsichtsratsmitglied: Wann liegt Unternehmereigenschaft vor?
Auch sitzungsabhängige Aufsichtsratsvergütungen führen nicht zwangsläufig zur Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsvorsitzenden.
Hintergrund
Der Kläger war in den Jahren 2015-2020 Aufsichtsratsvorsitzender verschiedener Gesellschaften einer Unternehmensgruppe. Für seine Tätigkeit schlossen die Gesellschafter jeweils eine D&O-Versicherung ab. Der Kläger erhielt eine durch die jeweilige Gesellschaftssatzung und hierauf beruhenden Hauptversammlungsbeschlüsse geregelte Vergütung. Diese beinhaltete Zahlungen pro Sitzungstag sowie den Ersatz von Auslagen (z. B. Reisekosten). Die Sitzungen sollten ausweislich der jeweiligen Satzungen nach Bedarf, mindestens jedoch einmal pro Halbjahr, stattfinden bzw. auf Antrag.
Die für seine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender bzw. Mitglied des Aufsichtsrats erhaltenen Vergütungen behandelte der Kläger entsprechend der damaligen Auffassung in Finanzverwaltung und Rechtsprechung in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ab 2015 zunächst als umsatzsteuerpflichtig. Im Oktober 2020 beantragte er mit Hinweis auf die neue Rechtsprechung des EuGH die Änderung seiner Umsatzsteuerfestsetzungen wegen fehlender Unternehmereigenschaft. Das Finanzamt lehnte ab, da die Sachverhaltskonstellation in dem vom Kläger angeführten BFH-Urteil (von den Sitzungen des Aufsichtsrats unabhängige Festvergütung) nicht mit dem Fall des Klägers vergleichbar sei.
Entscheidung
Die Klage vor dem FG hatte Erfolg. Danach sind die Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre rechtswidrig, da das Finanzamt die Vergütungen des Klägers, die dieser für seine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender verschiedener Aktiengesellschaften erhalten hatte, zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen hat. Insbesondere könne nicht von der Zahlung einer sitzungsabhängigen Vergütung auf das für die Unternehmereigenschaft erforderliche wirtschaftliche Risiko des Aufsichtsratsvorsitzenden geschlossen werden.
Dies gilt umso mehr, als sich die Vergütung nach den einschlägigen Bestimmungen laut Gesetz, Satzung und der Geschäftsordnung richte. Nach Überzeugung des Gerichts wurde der Kläger in seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrats und damit als Mitglied eines gesetzlich vorgesehenen Organs der Aktiengesellschaft nicht im eigenen Namen und nicht in eigener Verantwortung tätig, was sich bereits durch die gesetzlichen Vorschriften, denen der Kläger als Mitglied des Aufsichtsrats unterliegt, ergebe. Überdies bestand nach Überzeugung des Gerichts auch kein wirtschaftliches Risiko wegen der Inanspruchnahme aufgrund von Schäden durch Pflichtverletzungen. Denn dieses Risiko wurde vollständig durch eine zugunsten des Klägers abgeschlossene D&O-Versicherung ausgeschlossen.
Vorliegen eines einheitlichen Gewerbebetriebs
Die von einem Gewerbetreibenden auf einem Betriebsgelände ausgeübten Tätigkeiten "Schrotthandel" und "Recycling" bilden einen einheitlichen Gewerbebetrieb, sodass Investitionsabzugsbeträge insgesamt nur bis zu einem betriebsbezogenen Höchstbetrag von 200.000 EUR gebildet werden können.
Hintergrund
Der Kläger betrieb unter derselben Anschrift einen Großhandel mit Altmaterialien ("Recycling") und einen Großhandel mit Rohprodukten ("Schrotthandel"). Letzteren Betrieb hatte er vor Jahren von seiner verstorbenen Mutter als Rechtsnachfolger übernommen. Die Betriebsführung für beide Tätigkeiten fand im selben Gebäude – jedoch in verschiedenen Büroräumen – statt. Der Betriebshof wurde für die einzelnen Geschäftszweige einheitlich genutzt und nicht voneinander getrennt.
Fraglich war, ob der betriebsbezogene Höchstbetrag zur Bildung von Investitionsabzugsbeträgen i. H. v. 200.000 EUR für 2 Betriebe oder nur für einen einheitlichen Betrieb anzuwenden ist.
Entscheidung
Das FG entschied, dass es sich bei den beiden gewerblichen Tätigkeitsfeldern um einen einheitlichen Gewerbebetrieb handelte, sodass der Höchstbetrag nur einmal i. H. v. 200.000 EUR anwendbar war.
Einzelunternehmen können zwar durchaus mehrere getrennte Gewerbebetriebe gleichzeitig unterhalten (wenn eine sachliche Selbstständigkeit gegeben ist), für einen einheitlichen Gewerbebetrieb spricht aber die Gleichartigkeit der Betätigungen, die Möglichkeit der Ergänzung der verschiedenen Tätigkeiten, sowie die räumliche Nähe der Betriebszweige. Erheblich ist zudem, ob eine gesonderte Verwaltung und Geschäftsführung, eine selbstständige Organisation, ein eigenes Rechnungswesen, eigene Arbeitnehmer und eigenes Anlagevermögen existiert. Ein einheitlicher Gewerbebetrieb liegt vor, wenn zwischen den Tätigkeiten – unter Berücksichtigung der genannten Merkmale – ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang besteht.
Für einen einheitlichen Gewerbebetrieb sprachen im Urteilsfall insbesondere die räumliche Nähe und die Gleichartigkeit der Tätigkeiten. Für den Wirtschaftsverkehr war keine klare räumliche Abgrenzung der Tätigkeitsfelder erkennbar. Durch die Nutzung eines gemeinsamen Betriebshofs waren auch die Betriebsabläufe außerhalb der Büroräumlichkeiten räumlich nicht voneinander getrennt. Die Tätigkeitsfelder "Schrotthandel" und "Recycling" ergänzten sich zudem, da die Kunden an einem einheitlichen Betriebshof zugleich Abnehmer für ihren Schrott und für ihr Recyclingmaterial vorfanden – für beide Betriebszweige ergaben sich also Synergieeffekte.
Catering: Alkoholkonsum und verletzte Aufzeichnungspflichten
Cateringkosten sind nicht als Bewirtungskosten abziehbar, wenn die entsprechenden Nachweis- und Aufzeichnungspflichten verletzt sind. Der Bewirtungscharakter der Veranstaltung kann aus dem hohen Alkoholkonsum pro Kopf abgeleitet werden.
Hintergrund
Ein Unternehmen lud seine Kunden aus dem Bereich der Immobilienwirtschaft sowie seine Mitarbeiter alljährlich zu einer Veranstaltung auf eine aktuell betreute Baustelle ein (sog. Kick-Off-Veranstaltungen). Bei den 4-stündigen Abendveranstaltungen traten Gäste, Mitarbeiter, sowie Geschäftsführer des Unternehmens in Kontaktgespräche ein; auf der Veranstaltung wurden Werbetrailer der Firma gezeigt. Zur Verköstigung waren provisorische Tresen aufgebaut, an denen Speisen und alkoholische Getränke gereicht wurden. Die Kosten für das Catering machte das Unternehmen zunächst vollständig als Betriebsausgaben geltend, ohne sie jedoch einzeln und getrennt aufzuzeichnen.
Im Zuge einer Außenprüfung versagte das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug komplett und verwies darauf, dass die Aufzeichnungspflichten für Bewirtungskosten nicht erfüllt seien. Das Unternehmen argumentierte, dass die Kosten keine aufzuzeichnenden Bewirtungskosten seien, da bei der Veranstaltung der fachliche Austausch und nicht die Bewirtung im Vordergrund gestanden habe.
Entscheidung
Das FG wies die Klage ab und urteilte, dass der Betriebsausgabenabzug mangels erfüllter Nachweis- und Aufzeichnungspflichten ausscheidet. Die Kosten waren Bewirtungskosten, es handelte sich um geschäftliche Anlässe. Zwar unterfallen reine Arbeitnehmerbewirtungen nicht der Abzugsbeschränkung für Bewirtungskosten (und nicht den diesbezüglich geltenden Aufzeichnungspflichten); einbezogen werden müssen hier nach Gerichtsmeinung jedoch gemischte Veranstaltungen, bei denen neben Geschäftspartnern und Kunden auch eigene Arbeitnehmer teilnehmen.
Dass bei den Veranstaltungen nicht die Bewirtung, sondern der fachliche Austausch im Vordergrund gestanden hatte, entkräftete das FG durch eine einfache Berechnung: Nach den vorgelegten Rechnungen musste jeder Teilnehmer durchschnittlich 0,7 Liter Bier und zusätzlich eine halbe Flasche Wein oder Prosecco getrunken haben – innerhalb von 4 Stunden. Demnach müssten sich viele Teilnehmer nach Überzeugung des Gerichts "nicht mehr in einem Zustand befunden haben, in dem das Führen fachlicher Gespräche realistisch erscheint". Weiter erklärte das Gericht: "Und falls doch, dürften diese Gespräche nicht den für Repräsentations- und Werbezwecke qualitativ hochwertigen Charakter erreicht haben".
Anbieten von Kraftfahrzeugen und Standplatzvermietung
Die Vermietung von Kfz-Stellplätzen anlässlich von Automärkten ist eine steuerfreie Vermietung an die potenziellen Verkäufer der Kraftfahrzeuge, wenn die erbrachten weiteren Leistungen an die potenziellen Kfz-Verkäufer unwesentlich und damit nicht leistungsbestimmend sind. Jedoch entfällt die Steuerbefreiung, wenn es sich um eine Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen handelt.
Hintergrund
Die Klägerin veranstaltete in den Streitjahren 2013-2017 an verschiedenen Standorten Automärkte und vermietete Pkw-Verkaufsplätze an private und gewerbliche Verkaufsinteressenten. Nach Entgeltentrichtung durften die Verkäufer innerhalb der Verkaufsfläche an dem zugewiesenen Stellplatz ihren Pkw anbieten. Das anwesende Kassen- und Ordnungspersonal der Klägerin leistete keine Unterstützung bei den Verkaufsprozessen.
Ein der Klägerin gehörendes Geldscheinprüfgerät durften die Verkäufer benutzen. Bei den Automärkten auf dem Gelände von Autokinos gab es sog. Snackbars in feststehenden Gebäuden. Insoweit hatten Besucher und Verkäufer die gleichen Preise zu bezahlen. Teilweise boten Drittanbieter die Erstellung von Autokennzeichen gegen Entgelt an.
Entscheidung
Zwar erbringt die Klägerin nach Auffassung des FG eine Grundstücksvermietung, jedoch handelt es sich dabei um eine nicht steuerbefreite Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen.
Die Vermietung von Kfz-Stellplätzen anlässlich von Automärkten ist eine steuerfreie Vermietung an die potenziellen Verkäufer der Kfz, wenn die erbrachten weiteren Leistungen an die potenziellen Kfz-Verkäufer wie hier unwesentlich und damit nicht leistungsbestimmend sind.
Im Streitfall erbrachte die Klägerin als weitere zusätzliche Leistungen u. a. die Stellung von Kassen- und Ordnungspersonal und eines Geldscheinprüfgeräts sowie den Verkauf von Essen und Trinken an Snackbars gegen extra Entgelt. Hierbei handelt es sich jedoch im Verhältnis zur Platzvermietung nur um geringfügige Leistungen. So unterstützte das o. g. Personal des Klägers die Verkäufer nicht bei den Verkaufsprozessen. Auch konnten Dienstleistungen von Drittanbietern der Klägerin nicht zugerechnet werden.
Der Verkauf von Essen und Trinken an den Snackbars gegen gesondertes Entgelt durch die Klägerin war nicht untrennbar mit der Vermietungsleistung an die Verkäufer verbunden. Die genannten zusätzlichen Leistungen der Klägerin sind so unwesentlich, dass die Leistungen der Klägerin insgesamt als Vermietung eines Stellplatzes für ein Fahrzeug anzusehen sind.
Diese geringfügigen zusätzlichen Leistungen führen dazu, dass es sich nicht um eine Zurverfügungstellung einer „Automarktplattform“ handelt.
Die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen ist nicht befreit. Sinn und Zweck der Befreiung von Vermietungsleistungen sind soziale Gründe gewesen. Diese sozialen Gründe liegen z. B. bei der Vermietung von Bootliegeplätzen nicht vor. Dies gilt generell für die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Beförderungsmitteln und damit auch bei der Vermietung von Stellplätzen zum Abstellen für von zum Verkauf bestimmten Fahrzeuge.
Im Streitfall hat die Klägerin solche Vermietungsleistungen ausgeführt und diese stellen nicht nur Nebenleistungen dar. Die Klägerin hat selbst eingeräumt, dass sie Kfz-Anbietern lediglich die Berechtigung einräume, eine Verkaufsfläche in Form eines Stellplatzes zu nutzen.
Kombinierte Sportschwimmbad- und Saunanutzung: Welcher Umsatzsteuersatz gilt?
Ein Leistungsbündel aus Sportschwimmbad und Sauna kann aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung darstellen. Eine solche einheitliche Leistung unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz.
Hintergrund
Die Klägerin betreibt ein Schwimmbad mit Sauna. Der Saunabereich kann mit einem beim Eintritt in das Schwimmbad erhaltenen Chip betreten werden. Die Nutzung der Sauna ist im Eintrittspreis des Schwimmbads enthalten. Die Kombination von Schwimmbad und Sauna zu einem einheitlichen Eintrittspreis wurde werbemäßig als besonderes Angebot hervorgehoben. Der Erwerb von getrennten Eintrittsberechtigungen war nicht möglich. Die Klägerin teilte die Umsätze gemäß dem Nutzerverhalten nach der Zählung des Lesegerätes im Sauna-Eingangsbereich in den ermäßigten Umsatzsteuersatz (Schwimmbad) und in den Regelsteuersatz (Sauna) auf. Das Finanzamt dagegen unterwarf die Erlöse als einheitliche Leistung dem Regelsteuersatz. Unstreitig war der ermäßigte Steuersatz für Leistungen an Vereine.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG unterliegt der Eintritt für die Schwimmbad- und Saunanutzung für Einzelpersonen als eine einheitliche „neue“ Leistung gesamt dem Regelsteuersatz.
Für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie der Verabreichung von Heilbädern gilt der ermäßigte Steuersatz. Ob es sich bei einer Schwimmbad- und Saunanutzung um eine selbstständige Leistung oder um eine einheitliche Leistung handelt, ist aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu prüfen. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn eine Einzelleistung eine Hauptleistung und die andere Einzelleistung eine Nebenleistung bildet. Evtl. teilt die Nebenleistung das steuerliche Schicksal der Hauptleistung. Eine Leistung ist insbesondere dann Nebenleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck darstellt bzw. wenn zwei Einzelleistungen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden.
Im Streitfall sind diese Leistungselemente nach dem Wesen des angebotenen Gesamtpakets so aufeinander abgestimmt, dass sie aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ihre Selbständigkeit verlieren. Aus der Verbindung dieser beiden unterschiedlichen Leistungselemente bildet sich ein selbständiges „Neues“ mit einem einheitlichen Zweck. Eine Aufspaltung wäre wirklichkeitsfremd. Aus der sportlichen Betätigung „Schwimmen“ kombiniert durch die Erholungskomponente „Saunieren“ entsteht eine neue kombinierte, selbständige Leistung „Schwimmen und Saunieren“. Hierfür spricht auch das angebotene Gesamtpaket mit einheitlichem Eintrittspreis, die Werbemaßnahmen bezogen auf die kombinierte Nutzungsmöglichkeit sowie der im Gesamtpaket – im Vergleich zu Sauna-Marktpreisen – günstige einheitliche Eintrittspreis.
Der ermäßigte Steuersatz kommt nicht in Betracht, weil der Besuch des Schwimmbads im Rahmen eines Gesamtpakets stattfindet und die insoweit einheitliche Leistung den gesetzlichen Rahmen überschreitet. Die Steuersatzermäßigung gilt nur für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze und nicht für übliche und typische Nebenleistungen. Die Ermäßigung scheidet aus, wenn die Überlassung des Schwimmbads – wie im Streitfall – mit weiteren, nicht begünstigten Einrichtungen im Rahmen einer einheitlichen Leistung erfolgt. Die Saunanutzung ist auch keine übliche bzw. typische Nebenleistung zur Schwimmbadnutzung.
Eine nur teilweise Anwendung einer Steuersatzermäßigung kommt bei einer einheitlichen Leistung, wenn – wie hier – nicht ein Hauptelement und ein oder mehrere Nebenelemente bestimmbar sind, nicht in Betracht.
Nach Überzeugung des FG handelt es sich bei der Einräumung der Nutzungsmöglichkeit der Sauna und des Schwimmbads im Rahmen der einheitlichen Leistung um jeweils gleichwertige Leistungselemente. Denn aus Sicht des beide Leistungen in Anspruch nehmenden Durchschnittsverbrauchers ist in qualitativer Hinsicht weder das Schwimmbad noch die Saunalandschaft von untergeordneter Bedeutung. Auch sprechen bei der vorliegend gerade nicht kleinen Sauna die von der Klägerin ermittelten Nutzerzahlen der Sauna mit 17 % nicht für eine untergeordnete Bedeutung.
Welcher Steuersatz gilt für der Überlassung von Parkplätzen an Hotelgäste?
Sind Parkplatzgestellungen an Hotelgäste selbstständige Hauptleistungen zu den ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistungen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen? Diese Frage hat der BFH hat dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Hintergrund
Die Klägerin betrieb ein Hotel und Restaurant. Die Gäste des Hotels erhielten zur Übernachtung auch ein Frühstück, das mit jeweils 4,50 EUR verrechnet wurde, soweit ein Gast auf Anfrage nur eine Übernachtung ohne Frühstück in Anspruch nehmen wollte. Hotel und Restaurant verfügten über einen eigenen Parkplatz, der kostenfrei genutzt werden konnte.
Seit Juni 2018 wies die Klägerin für Übernachtung, Frühstück und Parkplatz als einheitliche Leistung den ermäßigten Steuersatz von 7 % aus. Sie erklärte in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juni 2018 bis Mai 2019 dementsprechende Umsätze.
Nach 2 Außenprüfungen bei der Klägerin für die Monate April 2018 bis Juni 2018 sowie Juli 2018 bis Mai 2019 vertrat die Prüferin die Auffassung, die Leistungen für Frühstück und Parkplatz seien mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu besteuern. Bei einer geschätzten Auslastung des Hotels von 70 % seien für das Frühstück 4,50 EUR und für den Parkplatz 1,50 EUR anzusetzen. Hinsichtlich des Parkplatzes nahm die Prüferin für Reisegruppen, Familien und Gäste ohne Fahrzeug einen Abschlag von 20 % vor.
Im Laufe des Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2018 ein. Die darin erklärten Umsätze zu 7 % und 19 % entsprachen denen, die den Bescheiden über die Umsatzsteuervorauszahlungen zugrunde lagen. Das Finanzamt wies die Einsprüche als unbegründet zurück.
Das FG wies die Klage ab. Es entschied, das Frühstück und die Parkplatzgestellungen seien keine Nebenleistungen zur Beherbergung, sondern selbstständige Hauptleistungen.
Entscheidung
Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass es sich bei dem Frühstück um eine selbstständige Hauptleistung handelt, während seine tatsächliche Würdigung, auch die Parkplatzgestellung sei eine selbstständige Hauptleistung, revisionsrechtlicher Überprüfung nicht standhält.
Eine Leistung ist nicht als Nebenleistung zur kurzfristigen Vermietung (Beherbergung von Fremden), sondern als Hauptleistung anzusehen, wenn sie der Mieter (hier: Hotelgast) einzeln – wie zum Beispiel nach Anzahl der Frühstücksleistungen oder Parkdauer – hinzubuchen oder abwählen kann und sich hierdurch das Entgelt dementsprechend erhöht oder verringert. In einem solchen Fall sind Leistungen, die neben der Vermietung zur kurzfristigen Beherbergung erbracht werden, grundsätzlich als von dieser getrennt zu betrachten.
Das FG hat nach den vorgenannten Grundsätzen zu Recht angenommen, dass hinsichtlich des Frühstücks, das vom Gast gegen Verrechnung eines Gegenwerts i. H. v. 4,50 EUR jeweils abgewählt werden konnte, eine selbstständige Leistung vorliegt. Da diese selbständige Leistung nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG fällt, ist auf das Frühstück im Streitfall der Regelsteuersatz anzuwenden, unabhängig von der Antwort auf die in diesem Verfahren dem EuGH vorgelegte Frage. Eines Rückgriffs auf das Aufteilungsgebot bedarf es insoweit nicht.
Dagegen handelt es sich bei der Überlassung von Parkplätzen an Hotelgäste im Streitfall um eine Nebenleistung zur Beherbergungsleistung, da sie weder hinzugebucht noch abgewählt werden konnte. Sie ist im Streitfall mit der Hauptleistung (Beherbergung) untrennbar verbunden und hat im Streitfall für den Hotelgast keinen eigenen Zweck. Hierfür spricht - anders als das Finanzamt und das FG meinen - insbesondere, dass die Klägerin in keiner Weise danach differenziert, wie der Gast angereist ist.
Die im Ausgangsverfahren zu beurteilende Bereitstellung von Parkplätzen gehört nach der Rechtsprechung des BFH zu den Leistungen, die unter das Aufteilungsgebot fallen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sind. Das Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, hat der vorlegende Senat bisher als unionsrechtskonform angesehen. Daran hält er fest.
Der vorlegende Senat ist allerdings der Auffassung, dass aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des EuGH kein „acte clair“ mehr vorliegt. Es ist nicht im Sinne eines „acte clair“ zweifelsfrei, dass diese Deutung der Rechtsprechung des EuGH durch den Senat zutreffend ist.
Der EuGH hat entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus 2 separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gälten, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann.
Diese Formulierung könnte auch dahin verstanden werden, dass bei einheitlichen Leistungen Steuersatzunterschiede jeglicher Art unionsrechtlich verboten sind. Bei dieser Sichtweise könnte § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG unionsrechtswidrig sein. Der Grundsatz, dass die unselbstständige Nebenleistung stets das Schicksal der Hauptleistung zu teilen hat, könnte das Aufteilungsgebot verdrängen.
Nach Außenprüfung: Wie können bestandskräftige Bescheide korrigiert werden?
Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, ist eine Tatsache. Dies gilt im Fall der Einnahmenüberschussrechnung nicht nur für Aufzeichnungen über den Wareneingang, sondern ebenso für sonstige Aufzeichnungen und die übrige Belegsammlung.
Hintergrund
Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen Einkaufsladen. Das Warensortiment umfasst vorwiegend Bau- und Heimwerkerbedarf, ebenso Dekoartikel, Schreibwaren, Zeitungen, Lotterielose, Tabak sowie diverse andere Haushaltswaren. Außerdem kauft und verkauft bzw. vermittelt der Kläger Edelmetall und bietet verschiedene Dienstleistungen an. Seinen Gewinn ermittelt er durch Einnahmenüberschussrechnung.
Der Kläger verwendet eine elektronische Kasse, die auf den täglich ausgedruckten Z-Bons insgesamt 5 Warengruppen (Verkauf 19 %, Verkauf 7 %, Versandhandel, Wäscherei, Lotto) ausweist. Eine weitere Aufgliederung oder Aufzeichnung der Umsätze nach den einzelnen Waren und Dienstleistungen nimmt der Kläger nicht vor. Auf den Z-Bons hat der Kläger gelegentlich handschriftliche Korrekturen vorgenommen.
Außerdem führt der Kläger tägliche Kassenberichte.
Überwiegend entsprachen die Eintragungen im Kassenbericht den Zahlenwerten auf den Z Bons. Soweit der Kläger handschriftliche Korrekturen auf den Z Bons vorgenommen hat, entsprachen die Eintragungen im Kassenbericht teils den korrigierten Zahlen auf den Z Bons, teils wurden die Korrekturen nicht in den Kassenbericht übernommen.
Das Finanzamt hatte den Kläger für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt.
Nach einer Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass der Kläger seinen Aufzeichnungspflichten nicht hinreichend nachgekommen sei, weil er nicht sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen Inhalt festgehalten habe. Es sei nicht erkennbar, ob der Kläger Umsätze zu verschiedenen Steuersätzen zutreffend getrennt und auf die Umsätze den zutreffenden Steuersatz angewendet habe. Zudem müsse ein grundsätzlich nicht zur Führung eines Kassenbuchs verpflichteter Steuerpflichtiger, der – wie der Kläger – ein solches freiwillig führe, die gesetzlichen Anforderungen an ein Kassenbuch erfüllen. Dem genüge das 2013 und 2014 in Form einer nicht gegen nachträgliche Änderungen geschützten Excel-Tabelle erstellte Kassenbuch nicht. Auch könne eine Kassensturzfähigkeit im Nachhinein nicht festgestellt werden. Ferner seien die Geschäftsvorfälle, die den handschriftlichen Korrekturen auf den Z Bons zugrunde lägen, mangels Eigenbelegen nicht nachvollziehbar.
Eine Geldverkehrsrechnung ergab keine ungeklärten Einnahmefehlbeträge.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass wegen erheblicher Kassenführungsmängel eine Hinzuschätzung durch Sicherheitszuschlag i. H. v. 10 % der Barerlöse zu erfolgen habe.
Das Finanzamt änderte dementsprechend die Bescheide über Einkommen- und Umsatzsteuer sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 bis 2015.
Die nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG machte die Erhöhung der Betriebseinnahmen für die Einkommensteuer und die Gewerbesteuermessbeträge für 2013 und 2014 vollständig rückgängig und brachte im Übrigen nur noch einen Sicherheitszuschlag von 5 % der Betriebseinnahmen beziehungsweise Umsätze in Ansatz.
Entscheidung
Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide im Nachgang zu einer Außenprüfung nur dann zulässig ist, wenn sicher feststehe, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet habe. Der Senat könne auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen aber nicht entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheids erfüllt seien.
Rechtfertigender Grund für die Durchbrechung der Bestandskraft sei nicht die Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung, sondern der Umstand, dass das Finanzamt bei seiner Entscheidung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sei.
Tatsache sei alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein könne, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art.
Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt habe, sei eine Tatsache. Dies gelte für Aufzeichnungen über den Wareneingang ebenso wie für sonstige Aufzeichnungen oder die übrige Belegsammlung eines Steuerpflichtigen.
Hieraus folge für den Streitfall, dass namentlich die Art, in der der Kläger seine Bareinnahmen festgehalten habe, der Inhalt der Aufzeichnungen sowie das Vorhandensein der Z Bons und deren Inhalt als Tatsachen anzusehen seien. Ob sich diese Tatsachen auf die Höhe der Steuer auswirkten, sei bei der Prüfung des Merkmals der Rechtserheblichkeit der Tatsache zu untersuchen.
Weitere Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit sei das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsache. Sie müsse schon bei Erlass des ursprünglichen Bescheids vorhanden gewesen sein, sodass sie vom Finanzamt bei umfassender Kenntnis des Sachverhalts hätte berücksichtigt werden können.
Das Finanzamt habe die Kläger zunächst erklärungsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt. Erst durch die im Jahr 2017 durchgeführte Außenprüfung – und somit nachträglich – habe es von den Kassenaufzeichnungen des Klägers in den Streitjahren sowie von den bei ihm dazu vorhandenen Belegen (Z Bons) und ihrem Inhalt Kenntnis erlangt.
Die Änderung eines Steuerbescheids setze außerdem die Rechtserheblichkeit der nachträglich bekanntgewordenen Tatsache und die Ursächlichkeit der Unkenntnis des Finanzamts von dieser Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung voraus.
Die Art und Weise der Aufzeichnung der Bareinnahmen sowie der Inhalt von vorhandenen Belegen (bzw. der Umstand ihres Fehlens) wären im Streitfall rechtserheblich, wenn das Finanzamt bei vollständiger Kenntnis dieser Tatsachen bereits bei der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2013 und 2014 zur Schätzung befugt gewesen wäre und deswegen eine höhere Steuer festgesetzt hätte. Ob die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen des Klägers in den Streitjahren tatsächlich vorliegen würden, habe das FG bislang allerdings nicht festgestellt.
Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht sei das Finanzamt dem Grunde nach zur Schätzung berechtigt.
Grundsätzlich verdiene eine Einnahmenüberschussrechnung nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege Vertrauen und könne für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen. Der Steuerpflichtige trage das Risiko, dass das Finanzamt oder das FG die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen könnten und deshalb die Voraussetzungen für eine Schätzung erfüllt seien.
Zur (Hinzu )Schätzung berechtigten auch formelle Mängel der Aufzeichnungen über Bareinnahmen, die zwar keinen sicheren Schluss auf eine Einnahmenverkürzung zuließen, aber dazu führten, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen bestehe, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre.
Aufgrund der vom FG bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen könne der Senat nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen und damit für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014 vorliegen würden. Die Sache sei daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurückzuverweisen.
Steuergeheimnis: Was darf im Außenprüfungsbericht stehen?
Eine Verletzung des Steuergeheimnisses liegt nicht vor, wenn (Roh-)Gewinndaten und Vertriebskosten des Bauträgers von zu sanierenden Wohnungen für die korrekte Berechnung der Absetzung für Abnutzung in einem Prüfungsbericht dargestellt werden und deshalb die Erwerber der Wohnungen und Feststellungsbeteiligten von diesen Daten Kenntnis erlangen könnten.
Hintergrund
Klägerin ist eine Bauträgerin. Ihr Geschäftszweck bestand u. a. im Ankauf von Grundstücken, die mit Mehrfamilienhäusern bebaut waren, deren Aufteilung in Wohnungseigentum, der Sanierung und dem Weiterverkauf der Wohnungen. Zu diesem Zweck schloss sie mit den Erwerbern der Wohnungen Verträge ab, die regelmäßig als Modernisierungswerk- und Kaufverträge bezeichnet wurden. In allen hier streitigen Fällen war zum Zeitpunkt des Abschlusses der jeweiligen notariellen Verträge bereits mit der Sanierung der Wohnungen begonnen worden.
In den streitgegenständlichen Verträgen zwischen der Klägerin und den Käufern wurde einzeln beziffert, welcher Teil des von den Erwerbern gezahlten Kaufpreises auf Grund und Boden, Altbausubstanz und Sanierungs- und Modernisierungskosten entfallen sollte.
Bei einer Außenprüfung kam das Finanzamt bei allen streitgegenständlichen Objekten zu dem Ergebnis, dass die Aufteilung des Kaufpreises auf Grund und Boden, Altbausubstanz und Sanierungs- und Modernisierungskosten zu Lasten des Fiskus unzutreffend erfolgt sei. Insbesondere beanstandete sie, dass der (Roh-)Gewinn der Klägerin vollständig den „Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen“ zugerechnet worden sei, obwohl der Erwerb nach Beginn der entsprechenden Maßnahmen erfolgt sei. In diesen Fällen sei die Bemessungsgrundlage für die AfA folglich zu hoch angesetzt worden; denn der insgesamt angefallene Sanierungsaufwand sei auf die Zeit vor beziehungsweise nach Abschluss der jeweiligen notariellen Verträge aufzuteilen.
Die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts beabsichtigte, entsprechend dieser Auffassung die Prüfungsberichte zu erstellen. Nachdem das Finanzamt der Klägerin den Entwurf der Prüfungsberichte zugeleitet und signalisiert hatte, dass es sich der Auffassung der Außenprüfung anschließen wolle, erhob die Klägerin unter Berufung auf das Steuergeheimnis (vorbeugende) Unterlassungsklage. Sie beantragte u. a. dem Finanzamt zu untersagen, ihre Geschäftsdaten wie Rohgewinn, Vertriebskosten, Bautenstandsüberzahlungen in die bis zum Kaufvertragsabschluss entstandenen Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen einzurechnen und in einem Prüfungsbericht auszuwerten.
Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er personenbezogene Daten eines anderen, die ihm unter anderem in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet. Fremde Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind ausdrücklich geschützt.
Die Auswertung der Geschäftsdaten hinsichtlich des Rohgewinns mit den Vertriebskosten in den Betriebsprüfungsberichten verletzt nicht das Steuergeheimnis der Klägerin.
Bei den im Streitfall betroffenen Daten über den Rohgewinn etc. handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese sind dem Betriebsprüfer im Rahmen einer Außenprüfung bekannt geworden und würden durch die Aufnahme in die Prüfungsberichte mit großer Wahrscheinlichkeit Dritten offenbart werden. Denn der Inhalt der Prüfungsberichte ist gegenüber den Erwerbern spätestens im Rahmen eines Einspruchsverfahrens offenzulegen; dies wird durch das Steuergeheimnis nicht eingeschränkt. Die den jeweiligen Einspruchsführer direkt betreffenden Passagen können offengelegt werden.
Im Streitfall ist das Finanzamt zur Offenbarung der Daten befugt.
Die Offenbarung der das Steuergeheimnis betreffenden Verhältnisse eines Dritten ist zulässig, wenn sie u. a. der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens dient. Dies ist dann der Fall, wenn die Daten eine Prüfung der in einem solchen Verfahren relevanten Tatbestandsmerkmale ermöglichen, erleichtern oder auf eine festere Grundlage stellen können. Es muss ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Offenbarung und der Verfahrensdurchführung bestehen.
Nach diesen Maßstäben ist das Finanzamt zur Offenbarung der Daten in den Betriebsprüfungsberichten befugt. Denn es besteht ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Offenbarung der streitgegenständlichen Daten und der Berechnung der Höhe der AfA.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht dem Ergebnis, dass die Daten über den Rohgewinn etc. folglich in den Prüfungsberichten zur richtigen Aufteilung der jeweiligen Anschaffungskosten zu erfassen sind und hierdurch nicht das Steuergeheimnis verletzt wird, nicht entgegen. Die streitgegenständlichen Daten sind für die zutreffende Veranlagung der Erwerber erforderlich. Eine Möglichkeit zur zumutbaren anderweitigen Erlangung der dargestellten relevanten Informationen ist nicht ersichtlich. Auch die Klägerin selbst hat keine andere Möglichkeit dargelegt, die für die Feststellungsbescheide maßgeblichen Daten zur Verfügung zu stellen.
Zur Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften
Seit 2021 dürfen in einem Veranlagungsjahr Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und Einkünften aus Stillhalterprämien verrechnet werden. Die nur im Veranlagungsverfahren anzuwendende Verlustverrechnungsregelung hält der BFH bei summarischer Prüfung für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Hintergrund
Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Antragsteller erzielten im Streitjahr 2021 auch Einkünfte aus Kapitalvermögen.
In der Einkommensteuererklärung 2021 erklärten die Antragsteller u. a. ausländische Kapitalerträge aus Termingeschäften ohne Steuerabzug von 250.631 EUR und Verluste aus Termingeschäften ohne Steuerabzug von 227.289 EUR.
Wirtschaftlich entstand aus den Termingeschäften ein Gewinn von (250.631 EUR – 227.289 EUR =) 23.342 EUR.
Steuerlich ließ die Finanzverwaltung jedoch eine Verlustverrechnung nur i. H. v. 20.000 EUR zu, sodass im Ergebnis (250.631 EUR – 20.000 EUR=) 230.631 EUR im VZ 2021 der Besteuerung unterlagen.
Die nicht im VZ 2021 verrechneten Verluste werden in den Folgejahren verrechnet, wenn denn in diesen VZ verrechenbare Gewinne erzielt werden bzw. worden sind.
Das Finanzamt setzte für das Streitjahr unter Beachtung der Verlustverrechnungsregelung eine Einkommensteuer i. H. v. 52.280 EUR fest. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Diesen begründeten die Antragsteller mit der vorgeblichen Verfassungswidrigkeit der Verlustverrechnungsnorm, weil die Steuer im Verlustverrechnungsjahr höher als der Netto-Gewinn von 23.342 EUR sei.
Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet ab.
Das FG äußerte ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der seit 2021 geltenden Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäftsverluste.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH habe das FG zu Recht die Vollziehung ausgesetzt, weil bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids bestünden.
Die Verlustverrechnungsbeschränkung ist bei gebotener summarischer Prüfung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Einschränkung, Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und aus Stillhalterprämien, nicht aber mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen ausgleichen und verrechnen zu können, führt zu einer Ungleichbehandlung.
Diese Ungleichbehandlung wird dadurch verschärft, dass Verluste und Gewinne von Termingeschäften im Verlustentstehungsjahr betragsmäßig auf 20.000 EUR eingeschränkt werden, wohingegen bei Aktiengeschäften eine unbegrenzte Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen im Verlustentstehungsjahr zugelassen wird. Wirtschaftlich nicht erzielte Gewinne werden hierdurch besteuert.
Die doppelte Begrenzung des Verlustausgleichs und der Verlustverrechnung führt zu einer zeitlichen Streckung der Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften. Die Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung der Verlustverrechnung ist verfassungsrechtlich nur dann nicht zu beanstanden, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Verlustausgleich in der Totalperiode gänzlich ausgeschlossen ist. Hiervon ist bei der Verlustverrechnungsbeschränkung aber gerade nicht auszugehen. Denn die Verlustverrechnung wirkt nur bei Erzielung von Gewinnen aus Termingeschäften in Folgejahren; hiervon kann nicht typischerweise ausgegangen werden. Der Effekt wird durch die jährliche Betragsgrenze von 20.000 EUR verschärft. Im Streitfall bräuchte der Antragsteller für die Verrechnung des gesondert festgestellten Verlustes von ca. 207.000 EUR mehr als 10 Jahre, um diese mit positiven Einkünften aus Termingeschäften und Stillhalterprämien zu verrechnen.
Eine Schlechterstellung ergibt sich für Verluste aus Termingeschäften auch, weil diese gegenüber anderen Kapitalerträgen nicht bereits im Rahmen des Steuerabzugs ausgeglichen werden.
Erbschaftsteuer: Nicht jede Betriebsverpachtung an den Erben ist begünstigt
Betriebliches Vermögen ist im Erbschaftsteuergesetz privilegiert. Trotz Vorliegens von betrieblichem Vermögen tritt jedoch grundsätzlich ein Begünstigungsausschluss für Verwaltungsvermögen ein. In dem vom BFH zu entscheidenden Sachverhalt stellte sich die Frage, ob ein an den Erben verpachtetes Parkhaus nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen auslöst.
Hintergrund
Der Kläger ist Alleinerbe seines in 2018 verstorbenen Vaters (Erblasser).
Die Erbeinsetzung erfolgte durch notariell beurkundetes Testament.
Zum Nachlassvermögen gehört das Einzelunternehmen des Erblassers. Dieses umfasste ein mit einem Parkhaus und einer Tankstelle bebautes Grundstück.
Das Parkhaus, das täglich 24 Stunden geöffnet war, hatte der Erblasser ursprünglich selbst betrieben und damit Parkplätze an Dritte vermietet. Ab Anfang 2000 verpachtete er das Parkhaus unbefristet an den Kläger. Die Einnahmen aus dem Pachtverhältnis führten beim Erblasser ertragsteuerlich zu gewerblichen Einkünften.
Die Tankstelle, die 7,12 % der gesamten Bruttofläche des bebauten Grundstücks ausmachte, war bis Ende 2018 an eine GmbH verpachtet.
In der Erklärung zur Feststellung des Werts des Betriebsvermögens ging der Kläger davon aus, dass kein Verwaltungsvermögen vorhanden war.
Nach Auffassung des Finanzamts stellte das Parkhaus-Grundstück in vollem Umfang begünstigungsschädliches Verwaltungsvermögen dar. Der an den Kläger verpachtete Betrieb (Parkhaus) stellte vor der Verpachtung bei dem Erblasser Verwaltungsvermögen dar.
Das FG schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung an und qualifizierte das Parkhaus ebenfalls als Verwaltungsvermögen.
Entscheidung
Die gegen die Entscheidung des FG eingelegte Revision hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Zum von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenen Verwaltungsvermögen gehören Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und Grundstücksteile. Hierzu rechnen sowohl das zum Todeszeitpunkt des Erblassers an den Kläger verpachtete Parkhaus als auch die an eine GmbH verpachtete Tankstelle.
Zur Zuordnung zum begünstigten Vermögen kann es bei Anwendung einer sog. Rückausnahme kommen. Die Voraussetzung für die Anwendung dieser sog. Rückausnahme ist nur in Bezug auf die Parkhausverpachtung erfüllt. Denn der Parkhausbetrieb wird unbefristet an den Kläger verpachtet. Die Verpachtung führte beim Erblasser zu gewerblichen Einkünften. Der Erblasser hatte den Kläger als Pächter des Parkhauses durch Testament als Erben eingesetzt.
Diese Rückausnahme erfährt aber eine erneute Einschränkung. Die Rückausnahme von der Rückausnahme gilt danach nicht für verpachtete Betriebe, soweit sie vor ihrer Verpachtung die Voraussetzung für die Begründung von begünstigtem Vermögen nicht erfüllt haben und für verpachtete Betriebe, deren Hauptzweck in der Überlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten an Dritte zur Nutzung besteht, die Wohnungsunternehmen sind.
Das an den Sohn verpachtete Parkhaus war bereits vor dieser Verpachtung steuerschädliches Verwaltungsvermögen des Erblassers, da die verfügbaren Parkplätze durch diesen als früheren Betreiber an die Parkenden (= Dritte) zur Nutzung überlassen wurden. Betrachtet werden muss damit nicht nur das Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Erben.
Als Nutzungsüberlassung an Dritte sieht der BFH sowohl die kurzfristige als auch die längerfristige Parkplatzvermietung an. Forderungen, kurzfristige Überlassungen nicht als eine solche Nutzungsüberlassung anzusehen, hat der BFH bei seiner wortlautgetreuen Auslegung nicht übernommen. Unerheblich sei auch, dass durch die entgeltliche Parkplatzvermietung für Kurzparker ertragsteuerlich originäre gewerbliche Einkünfte erzielt werden. Selbst wenn ertragsteuerlich gewerbliche Einkünfte vorliegen, liegt eine Überlassung von Grundstücksteilen zur Nutzung an Dritte vor.
Die Sonderregelung für Wohnungsunternehmen kommt im Entscheidungsfall nicht zur Anwendung.
Unbeachtlich ist, ob zu der Überlassung der Parkplätze weitere gewerbliche Leistungen, z. B. eine Ein- und Ausfahrtkontrolle und eine Entgeltzahlungsdienstleistung, hinzukommen. Darauf stellt das Erbschaftsteuergesetz nicht ab.
Der BFH sieht in der einschränkenden Regelung keine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Grundstücksüberlassungen.
Schenkungsteuer bei der Errichtung einer Familienstiftung
Beim Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung ist für die Bestimmung der anwendbaren Steuerklasse und des Freibetrags als "entferntest Berechtigter" zum Schenker derjenige anzusehen, der nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann.
Hintergrund
Die Klägerin errichtete zusammen mit ihrem Ehemann die U Familienstiftung. Die Stiftung wurde mit Vermögen ausgestattet; der Steuerwert des übertragenen Vermögens betrug 443.051 EUR.
Im Stiftungsgeschäft und in der Stiftungssatzung wurde angegeben, die Familienstiftung habe zum Zweck die angemessene Versorgung der Klägerin und ihres Ehemanns, die angemessene finanzielle Unterstützung der Tochter der Stifter sowie die angemessene finanzielle Unterstützung weiterer Abkömmlinge des Stammes der Stifter, jedoch erst nach Wegfall der vorherigen Generation.
Das Finanzamt sah für Zwecke der Schenkungsteuer hinsichtlich der Übertragung des Vermögens auf die Familienstiftung als "entferntest Berechtigten" die in der Stiftungssatzung angeführten "weiteren Abkömmlinge" an. Es ordnete den Erwerb der Steuerklasse I ("Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder") zu, brachte für die "übrigen Personen der Steuerklasse I" einen Freibetrag i. H. v. 100.000 EUR in Abzug und setzte Schenkungsteuer i. H. v. 59.175 EUR fest. Der hiergegen erhobene Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg. Das FG war der Auffassung, dass das Finanzamt bei der Bestimmung des "entferntest Berechtigten" die Stiftungssatzung zutreffend dahingehend verstanden habe, dass auch eine mögliche Urenkelgeneration nach dem Satzungszweck potenziell begünstigt sein sollte.
Entscheidung
Der BFH ist der Auffassung, dass das FG zutreffend entschieden habe, dass im Streitfall die Schenkungsteuer für die Übertragung des Vermögens auf die Familienstiftung der Klägerin unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 100.000 EUR nach der Steuerklasse I für Abkömmlinge von Kindern und Stiefkindern und einem Prozentsatz von 15 % festzusetzen sei.
Als "entferntest Berechtigter" seien mögliche Urenkel der Stifter anzusehen, da diese nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile erlangen könnten.
Für die Bestimmung des "entferntest Berechtigten" sei nicht erheblich, dass eine Urenkelgeneration bei Errichtung der Stiftung noch nicht geboren sei. Ebenso wenig komme es darauf an, ob mögliche Urenkel tatsächlich jemals finanzielle Unterstützung aus der Stiftung erhalten würden.
Die Formulierung des "entferntest Berechtigten" sei dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige bezeichnet werde, der nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten solle.
Der "Berechtigte" entspreche dem nach der Stiftungssatzung "potenziell Begünstigten", der durch den Erwerb von Vermögensvorteilen aus der Stiftung begünstigt sein könne. Eine Unterscheidung dahingehend, dass – wie die Klägerin meint – mit dem Begriff des "Berechtigten" der sofort Anspruchsberechtigte gemeint sei und sich dieser vom "Begünstigten", der erst später anspruchsberechtigt sein solle, unterscheide, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.
"Entferntest Berechtigter" sei stets derjenige Berechtigte, für den die schlechteste Steuerklasse Anwendung fände, wäre die Zuwendung direkt vom Stifter an diesen erfolgt. Bei der Bestimmung, wer "entferntest Berechtigter" sei, sei nicht darauf abzustellen, ob die Person einen klagbaren Anspruch auf den Vermögensvorteil aus der Stiftung habe. Es komme – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht darauf an, ob die nach der Stiftungssatzung "entferntest Berechtigten" zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren seien oder jemals geboren würden. Eine solche Voraussetzung enthalte der gesetzliche Wortlaut nicht. Der "entferntest Berechtigte" müsse im Zeitpunkt der Errichtung der Familienstiftung daher noch nicht unmittelbar bezugsberechtigt sein. Ausreichend sei, wenn er es erst in der Generationenfolge werde.
Wer bei der einzelnen Familienstiftung als "entferntest Berechtigter" anzusehen sei, sei der Formulierung in der jeweiligen Stiftungssatzung zu entnehmen. Damit obliege es dem Stifter, den Kreis der aus dem Stiftungsvermögen potenziell Begünstigten festzulegen.
Die Errichtung einer Familienstiftung solle typischerweise familienrechtlich die finanzielle Versorgung nachfolgender Generationen sicherstellen. Erbschaftsteuerrechtlich biete sie die Möglichkeit, bei potenzieller Begünstigung auch von in der Generationenfolge zeitlich weiter entfernten direkten Abkömmlingen durch entsprechende Gestaltung des Stiftungsgeschäfts höhere Freibeträge zu erhalten, als wenn bei der ersten Übertragung von Vermögen auf die Stiftung auf das Verhältnis des Stifters zu der Stiftung selbst abzustellen und beide als fremde Dritte anzusehen wären.
Die Höhe des zu gewährenden Freibetrags bei der Besteuerung des Vermögensübergangs auf eine Familienstiftung könnte daher unterschiedlich ausfallen und würde davon abhängen, ob die Stiftungssatzung als potenziell Begünstigte Kinder, Enkel oder Urenkel anführe. Gleichwohl komme es in allen diesen Fällen insgesamt zu einer Besserstellung hinsichtlich des Freibetrags bei der Schenkungsbesteuerung für den Übergang von Vermögen auf die Familienstiftung.
Zuwendungen bei der Errichtung einer Familienstiftung sind privilegiert und geben dem Stifter die Möglichkeit, eine günstigere Steuerklasse und einen höheren Freibetrag zu erhalten. Da das Gesetz auf die Bestimmungen der Stiftungssatzung abstelle, habe es der Stifter in der Hand, das Privileg so zu nutzen, wie er es für am besten für seine Familie halte.
Steuerbefreite Photovoltaikanlagen: Investitionsabzugsbeträge können rückgängig gemacht werden
Die Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen für die Anschaffung von ab dem Jahr 2022 steuerbefreiten Photovoltaikanlagen, welche zum Wegfall der eingetretenen Steuerminderung führt, ist nicht zu beanstanden.
Hintergrund
Der Antragsteller bildete im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2021 für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage auf seinem Einfamilienhaus einen steuermindernden Investitionsabzugsbetrag. Im November 2022 schaffte er die Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,2 kWp an. Der Gesetzgeber stellte jedoch mit dem Jahressteuergesetz vom 17.12.2022 rückwirkend zum 1.1.2022 u. a. Einnahmen aus Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern mit einer Leistung von bis zu 30 kWp steuerfrei.
Das Finanzamt machte daher den bislang für 2021 gewährten Investitionsabzugsbetrag rückgängig, was zum Wegfall der eingetretenen Steuerminderung und für den Antragsteller zu einer Nachzahlung führte. Da das Finanzamt die Aussetzung der Steuernachzahlung von der Vollziehung bis zur Entscheidung über seinen Einspruch ablehnte, hat der Antragsteller beim FG die Aussetzung der Vollziehung beantragt, da die Streichung des Investitionsabzugsbetrags unzulässig sei.
Er habe sich vor der Gesetzesänderung zur Anschaffung der Photovoltaikanlage entschlossen und darauf vertraut, Einkommensteuern zu sparen.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags zulässig sei. Es bestehe kein besonderes Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da ihm durch die nachträgliche Streichung keine irreparablen Nachteile drohten. Die Rückgängigmachung sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es gebe keinen besonderen Schutz der Erwartung, dass die bisherige Rechtslage bestehen bleibe. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die rückwirkende Steuerbefreiung allgemein eine günstigere Rechtslage eingetreten sei, von der zahlreiche Steuerzahlende profitierten. Der Umstand, dass hiermit als Rechtsreflex auch für Einzelne steuerlich nachteilige Folgen verbunden seien, führe nicht zu einem anderen Ergebnis.
Baufälliges Denkmal: Kein Grundsteuererlass
Bei der Sanierung eines baufälligen Denkmals besteht kein Anspruch auf Erlass der Grundsteuer.
Hintergrund
Im Jahr 2012 erwarb der Kläger ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Er sollte für das Kalenderjahr 2022 Grundsteuer B i. H. v. 110,60 EUR bezahlen. Der Kläger stellte den Antrag auf Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, die Unrentabilität des Gebäudes wäre nicht hinreichend belegt worden.
Der Kläger wehrte sich hiergegen und begründete, er habe denkmalschutzbedingte Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, u. a. das Fachwerk freigelegt. Er gab an, dass er ohne die Denkmaleigenschaft das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet hätte. Außerdem seien Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Der Kläger erklärte, er hätte aus Rentabilitätsgründen überwiegend Eigenleistungen erbracht. Inzwischen könne er Mieteinnahmen in angemessener Höhe erzielen, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.
Entscheidung
Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Voraussetzungen für einen Erlass der Grundsteuer nicht vorliegen. Ein Erlass ist nur vorgesehen für Grundbesitz, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) i. d. R. unter den jährlichen Kosten liegen. Dies sei im aktuellen Fall nicht gegeben.
Eilanträge zum neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht erfolgreich
Die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. BewG sind bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann.
Hintergrund
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Der Bodenrichtwert für das 351 qm große und mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück betrug zum 1.1.2022 125 EUR pro qm.
In ihrer Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts gab die Antragstellerin als Art des Grundstücks „Einfamilienhaus“ an, das erstmals vor 1949 bezugsfertig gewesen sei und über eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 72 qm verfüge.
Mit Bescheid vom 28.12.2022 stellte das Finanzamt den Grundsteuerwert der wirtschaftlichen Einheit zum 1.1.2022 auf 91.600 EUR fest. Diesen Betrag ermittelte das Finanzamt aus der Summe des kapitalisierten Reinertrags des Grundstücks und des abgezinsten Bodenwerts.
Gegen den Bescheid vom 28.12.2022 legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Den Antrag auf AdV lehnte das Finanzamt ab. Den gegen die Ablehnung der AdV eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück, da der festgestellte Grundsteuerwert und der Grundsteuermessbetrag zutreffend nach den gesetzlichen Regelungen ermittelt worden seien. Bei der Bewertung für Grundsteuerzwecke handele es sich um eine typisierte Bewertung, die keine individuelle Verkehrswertermittlung in Bezug auf das Objekt darstelle.
Die Antragstellerin stellte daraufhin einen Antrag auf AdV beim FG, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass seit dem Baujahr des Einfamilienhauses im Jahr 1880 keine wesentlichen Renovierungen vorgenommen worden seien. Der festgestellte Grundsteuerwert sei daher gemessen am Wert des Hauses zu hoch.
Das FG hat die Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids ausgesetzt und die Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen, die vom Finanzamt auch eingelegt wurde.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass die Beschwerde des Finanzamts unbegründet ist. Zu Recht hat das FG den angefochtenen Feststellungsbescheid über den Grundsteuerwert von der Vollziehung ausgesetzt, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen.
Der BFH hat einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 28.12.2022 in Bezug auf die Höhe des festgestellten Grundsteuerwerts. Die Zweifel ergeben sich daraus, dass dem Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden muss, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.
Bei der Neuregelung der Grundsteuer hat der Gesetzgeber allein an das Innehaben von Grundbesitz und die damit verbundene (abstrakte) Leistungskraft angeknüpft, ohne dass es auf die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die Ausdruck seiner subjektiven Leistungsfähigkeit sein können, ankommt. Belastungsgrund ist nach der gesetzgeberischen Vorstellung die durch den Grundbesitz vermittelte Möglichkeit einer ertragsbringenden Nutzung, die sich im Sollertrag widerspiegelt und eine objektive Leistungsfähigkeit vermittelt.
Eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügende und das daraus folgende Übermaßverbot beachtende Besteuerung ist wegen dieser Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers daher grundsätzlich nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert und den Sollertrag mittels einer verkehrswertorientierten Bemessungsgrundlage bestimmt.
Soweit sich im Einzelfall ein Unterschied zwischen dem gem. §§ 218 ff. BewG ermittelten Wert und dem gemeinen Wert ergibt, ist dies aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Wertermittlung des Bewertungsgesetzes, die notwendigerweise mit Ungenauigkeiten verbunden ist, grundsätzlich hinzunehmen.
Verfassungsgemäß ist solch eine typisierende Regelung aber nur solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall entweder durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift oder durch eine Billigkeitsmaßnahme abgewendet werden kann.
Das Übermaßverbot kann insbesondere dann verletzt sein, wenn sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Nach der bisherigen Rechtsprechung setzt dies regelmäßig voraus, dass der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.
Der BFH hat zu verschiedenen typisierenden Bewertungsnormen entschieden, dass bei Ausschluss von Billigkeitsmaßnahmen in verfassungskonformer Auslegung der betreffenden Vorschriften der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot zuzulassen ist, wenn der Gesetzgeber einen solchen Nachweis nicht ausdrücklich geregelt hat.
Besteht die Möglichkeit einer solchen verfassungskonformen Auslegung, sind die pauschalierenden und typisierenden Bewertungsvorschriften nicht verfassungswidrig. Vielmehr ist dem Einwand möglicher verfassungswidriger Überbewertungen durch Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich der Boden entzogen.
Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen und zugleich ausreichenden summarischen Prüfung auf die Bewertung nach dem Siebenten Abschnitt des Bewertungsgesetzes, die eine abweichende Wertfeststellung aus Billigkeitsgründen nicht vorsieht, zu übertragen, sodass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung im konkreten Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts in verfassungskonformer Auslegung der §§ 218 ff. BewG im Hauptsacheverfahren gelingt.
Vor diesem Hintergrund erscheint es bei summarischer Prüfung im Streitfall zumindest möglich, dass der im angefochtenen Grundsteuerwertbescheid nach dem typisierten Bewertungsverfahren festgestellte Wert erheblich von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit abweicht und ein entsprechender Nachweis dieser Abweichung – beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten – geführt werden kann.
Bemessungsgrundlage für die Steuerfreiheit bei Nachtzuschlägen
Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Bereitschaftsdienste, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht und gesondert vergütet werden, bemisst sich nach dem Arbeitslohn für die regelmäßige Arbeitszeit und nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt.
Hintergrund
Die Klägerin betreibt eine Förderschule mit angeschlossenem Internat für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen, die von den Mitarbeitern auch in der Nacht betreut werden.
Die wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit des Betreuungspersonals betrug im Streitzeitraum (Januar 2014 bis Dezember 2017) bei Vollzeitbeschäftigung durchschnittlich 39 Stunden. Die regelmäßigen monatlichen Dienstbezüge (Grundlohn) setzten sich aus der monatlichen Regelvergütung, der Kinderzulage und den sonstigen Zulagen zusammen. Die Zeit der nächtlichen Beaufsichtigung wurde gemäß den arbeitsvertraglichen Regelungen als Bereitschaftsdienst behandelt.
Nach den arbeitsvertraglichen Regelungen wurde die Bereitschaftsdienstzeit zum Zwecke der Entgeltberechnung faktorisiert und nur zu 25 % als Arbeitszeit entgolten. Daneben erhielten die Mitarbeiter für den Bereitschaftsdienst in den Nachtstunden je tatsächlich geleisteter Stunde einen Zeitzuschlag i. H. v. 15 % des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts.
Das den Mitarbeitern danach zustehende Bereitschaftsdienstentgelt versteuerte die Klägerin, soweit die faktorisierte Arbeitszeit entgolten wurde, regulär. Den Zeitzuschlag für die Zeit von 0:00 Uhr bis 6:00 Uhr zahlte sie steuerfrei aus.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die den Beschäftigten gezahlten Zuschläge über den gesetzlichen Höchstgrenzen gelegen hätten. Sie seien insoweit zu Unrecht steuerfrei ausgezahlt worden. Als Bemessungsgrundlage für die Steuerfreiheit der Zuschläge und damit als Grundlohn sei lediglich das Entgelt für den Bereitschaftsdienst anzusetzen. Das Finanzamt erließ einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerbeträge für den Streitzeitraum.
Das FG folgte dieser Auffassung nicht und gab der erhobenen Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen und die Auffassung des FG bestätigt.
Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 EUR anzusetzen. Grundlohn steht dem Arbeitnehmer zu, wenn er diesem bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung geschuldet wird.
Der Grundlohn ist von den sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist danach das dem Arbeitnehmer regelmäßig zustehende Arbeitsentgelt und damit das Monatsgehalt, der Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütungen, laufende Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen.
Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist weiter, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte geleistete Tätigkeit sein. Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist. Es muss sich bei den Zuschlägen objektiv um ein zusätzlich (zum Grundlohn) geschuldetes Arbeitsentgelt für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit handeln.
Darüber hinaus muss die Zahlung des Zuschlags zweckbestimmt erfolgen. Die Steuerbefreiung setzt dementsprechend voraus, dass die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind.
Zur tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit zählt jede arbeitsvertraglich geschuldete (Berufs-)Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit auch jede vom Arbeitgeber zu den begünstigten Zeiten verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ist daher jede zu den begünstigten Zeiten tatsächlich im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers. Dazu gehört auch das bloße Bereithalten einer tatsächlichen Arbeitsleistung, wenn gerade dieses arbeitsvertraglich geschuldet ist.
Eine Beschränkung der Steuerbefreiung für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge auf tatsächlich belastende Tätigkeiten während der begünstigten Zeiten ist im Gesetz nicht angelegt. Das Gesetz schöpft den steuerlichen Entlastungsgrund abstrakt-generell und typisierend aus dem Umstand, dass der Dienst zu den dort genannten Zeiten geleistet und dies als in besonderer Weise belastend erachtet wird. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist daher, dass eine zuschlagsbewehrte Tätigkeit zu den begünstigten Zeiten tatsächlich ausgeübt wird. Ob die zu diesen Zeiten verrichtete Tätigkeit den einzelnen Arbeitnehmer in besonderer Weise fordert oder ihm „leicht von der Hand“ geht, ist nicht entscheidend.
Zudem erfordert die Steuerfreiheit der Zuschläge grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen oder zur Nachtzeit. Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass ausschließlich Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen. Hieran fehlt es, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit lediglich allgemein abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich ist.
Danach war die Vorentscheidung nicht zu beanstanden.
Unstreitig ist, dass die Klägerin die streitigen Zuschläge nur insoweit steuerfrei belassen hat, als sie auf tatsächlich von den Mitarbeitern zu den begünstigten Zeiten geleistete Arbeit entfielen und dass die geleisteten zuschlagsbewehrten Arbeitsstunden ordnungsgemäß aufgezeichnet wurden.
Die Klägerin hat die steuerfrei belassenen Nachtarbeitszuschläge auch neben dem Grundlohn (zusätzlich) geleistet.
Nach dem Inhalt der arbeitsvertraglichen Regelungen setzte sich das Arbeitsentgelt der Mitarbeiter der Klägerin unter anderem aus der Grundvergütung (Tabellenentgelt), dem faktorisierten Bereitschaftsdienstentgelt und den Zuschlägen für die Zeit des Bereitschaftsdienstes in den Nachtstunden zusammen. Die Zuschläge wurden zusätzlich zu dem Bereitschaftsdienstentgelt je (Nacht-)Stunde i. H. v. 15 % des auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelts gezahlt. Die arbeitsvertraglichen Regelungen unterscheiden damit hinreichend zwischen der Grundvergütung (Tabellenentgelt), dem Bereitschaftsdienstentgelt und den streitbefangenen steuerfreien Zuschlägen. Letztere stellen sich daher nicht als Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, zu den begünstigten Zeiten geleistete Tätigkeit bei der Klägerin dar.
Der Steuerfreiheit der Zuschläge steht nicht entgegen, dass die Mitarbeiter der Klägerin während ihrer Bereitschaftsdienste keinen Anspruch auf Grundlohn hatten, sondern diese Tätigkeit mit dem Bereitschaftsdienstentgelt „gesondert“ vergütet wurde.
Mit dem Tabellenentgelt wird die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit abgegolten. Leisten Mitarbeiter Bereitschaftsdienst, haben sie einen zusätzlichen Anspruch auf das Bereitschaftsdienstentgelt. Die Faktorisierung der Arbeitszeit des Bereitschaftsdienstes – im Streitfall 25 % – dient nur dem Zweck der Entgeltberechnung und begegnet auch arbeitsrechtlich keinen Bedenken.
Auch wenn das Bereitschaftsdienstentgelt nach diesen Grundsätzen nicht zum laufenden Arbeitslohn und damit nicht zum Grundlohn gehört, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht, werden die während der Nachtbereitschaft erdienten Zuschläge nicht nur neben dem Bereitschaftsdienstentgelt, sondern jedenfalls auch neben dem – weil zusätzlich hierzu gewährten – Grundlohn geleistet.
Die Höhe der Steuerfreiheit der Nachtarbeitszuschläge ist nicht nach dem (anteilig) für den Bereitschaftsdienst gezahlten Bereitschaftsdienstentgelt, sondern nach dem vollen auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelt zu bemessen. Denn nur das Tabellenentgelt ist der Grundlohn und damit die maßgebliche Größe, nach der die Steuerfreiheit der Zuschläge der Höhe nach zu berechnen ist. Eine andere „Bemessungsgrenze“ kennt das Gesetz nicht. Dass der Bereitschaftsdienst nach den arbeitsvertraglichen Regelungen nur angeordnet werden durfte, wenn zu erwarten war, „dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt“, steht dem nicht entgegen. Denn eine konkret (individuell) belastende Tätigkeit verlangt das Gesetz für die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen nicht.
Ausgehend hiervon überschritten die von der Klägerin steuerfrei gezahlten Zuschläge für die geleistete Nachtbereitschaft die höchstens steuerfrei anwendbaren Prozentsätze unstreitig nicht.
Wann die Kosten für ein Führungszeugnis kein steuerbarer Arbeitslohn sind
Normalerweise können Arbeitgeber die Kosten für ein Führungszeugnis ihren Arbeitnehmern nicht steuerfrei erstatten. Bei Kostenerstattungen eines kirchlichen Arbeitgebers an seine Beschäftigten für die Erteilung erweiterter Führungszeugnisse, zu deren Einholung er verpflichtet ist, hat das Gericht allerdings anders entschieden.
Will der (zukünftige) Arbeitgeber Kosten für ein polizeiliches Führungszeugnis ersetzen, handelt es sich nach bisheriger Rechtsauffassung hingegen regelmäßig um steuerpflichtigen Arbeitslohn. In einem aktuellen Urteilsfall ging es um die steuerliche Behandlung von Kostenerstattungen eines kirchlichen Arbeitgebers an seine Beschäftigten für die Erteilung erweiterter Führungszeugnisse.
Hintergrund
Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die Beschäftigten als Gegenleistung (Entlohnung) für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft zufließen. Danach liegt steuerbarer Arbeitslohn in der Regel auch dann vor, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten Aufwendungen erstattet, die sie wiederum als Werbungskosten zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen steuerlich abziehen könnten.
Ein Werbungskostenersatz ist nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen (§ 3 EStG) steuerfrei. Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen.
Entscheidung
Im Urteilsfall war der kirchliche Arbeitgeber nach der geltenden Ordnung zur Prävention von sexualisierter Gewalt verpflichtet, die Kosten zu erstatten, die seinen Arbeitnehmern zur Einholung des erweiterten Führungszeugnisses entstanden. Diese Erstattungen stellen nach dem Urteil des BFH keinen Arbeitslohn dar, denn sie erfolgen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und sind darüber hinaus kein Ausfluss einer bestehenden Verpflichtung gegenüber dem jeweiligen Arbeitnehmenden. Die Einholung der erweiterten Führungszeugnisse erfolgte aufgrund einer nur die kirchlichen Rechtsträger, nicht aber die Beschäftigen treffenden (kirchenrechtlichen) Verpflichtung.
Mit der Erstattung der Aufwendungen wendet der Arbeitgeber seinen Beschäftigten also keinen Vorteil zu, der sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft erweisen könnte.
Mitarbeiterbeteiligungsprogramme: Ausschluss von Arbeitnehmern
Die Steuerbefreiung für Vorteile aus Mitarbeiterkapitalbeteiligungen gilt auch dann, wenn ruhende Arbeitsverhältnisse von entsprechenden Programmen ausgeschlossen werden.
Hintergrund
Die Tochtergesellschaft eines Konzerns unterhielt ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm, nach dem alle Arbeitnehmer mit aktivem Beschäftigungsverhältnis einen Teil ihres Jahresgehalts in Vorzugsaktien des Unternehmens investieren konnten. Arbeitgeberseitig erhielten sie dabei Zuwendungen zum Erwerb von Bonus-Aktien. Der Arbeitgeber beließ die zugewandten Vorteile lohnsteuerfrei. Mitarbeiter mit ruhendem Arbeitsverhältnis (z. B. wegen Elternzeit) waren von diesem Programm allerdings ausgeschlossen, sodass das Finanzamt im Zuge einer Lohnsteueraußenprüfung die Ansicht vertrat, dass das Gleichbehandlungsgebot verletzt sei, da Mitarbeiterkapitalbeteiligungsprogramme allen Arbeitnehmern mit gegenwärtigem Dienstverhältnis offenstehen müssen.
Entscheidung
Das FG entschied, dass die Bonuszahlungen des Arbeitgebers lohnsteuerfrei waren. Der Ausschluss von Arbeitnehmern mit ruhenden Dienstverhältnissen war nach Ansicht des Gerichts hierfür unschädlich, da diese nicht in einem vom Einkommensteuergesetz geforderten gegenwärtigen Dienstverhältnis standen.
Dass es ruhenden Dienstverhältnissen am Merkmal der Gegenwärtigkeit fehlt, leitete das FG aus den Gesetzesmaterialien ab, die gegenwärtige Dienstverhältnisse an eine fortbestehende Lohnzahlung knüpfen – bei ruhenden Dienstverhältnissen ruht hingegen auch die Zahlung von Arbeitslohn. Das Gericht verwies ferner auf die Zielrichtung des Ausschließlichkeitsgebots: Es sollen alle Mitarbeiter gleichbehandelt werden, die zum Unternehmenserfolg beitragen. Abwesende Mitarbeiter mit ruhendem Dienstverhältnis leisten diesen Beitrag jedoch nicht. In der Fachliteratur wird für ein gegenwärtiges Dienstverhältnis zudem gefordert, dass ein aktueller Leistungsaustausch (Arbeitskraft gegen Arbeitslohn) besteht.
Nettolohnvereinbarung: Steuererstattungen und Kindergeld
Nettolohnvereinbarungen werden vor allem bei Entsendungen abgeschlossen. Dabei werden Steuererstattungs- und Kindergeldansprüche an den Arbeitgeber abgetreten. Dass der Bruttolohn entsprechend zu mindern ist, hat nun der Bundesfinanzhof entschieden.
Steuerrechtlich setzt eine Nettolohnvereinbarung voraus, dass der Nettobetrag fest vereinbart und der Bruttobetrag bei gleichbleibender Höhe des Nettobetrags veränderlich ist. Eine Nettolohnvereinbarung wird nur bei unzweifelhaft nachgewiesener Gestaltung anerkannt. Die Lohnsteuer vom Bruttoarbeitslohn muss auch bei einer Nettolohnvereinbarung ermittelt werden. Der vereinbarte Nettolohn muss dabei auf einen fiktiven Bruttolohn hochgerechnet werden. In einem aktuellen Urteilsfall ging es um die Behandlung des Kindergeldes.
Hintergrund
Als Angestellter einer japanischen Firma arbeitete der Kläger im Rahmen einer befristeten Entsendung von Oktober 2017 bis August 2019 für eine GmbH in Deutschland. Hierfür erhielt er sowohl von der japanischen Muttergesellschaft als auch von der GmbH Gehalt. Die Auszahlung erfolgte im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung. Im Mai 2018 beantragte der Kläger Kindergeld für seine beiden Kinder und bestimmte, das Kindergeld solle auf ein Konto einer anderen Person, nämlich der GmbH, überwiesen werden. Hintergrund war, dass die GmbH für sämtliche Lohnsteuern, die im Zusammenhang mit der Entsendung anfielen, eintreten sollte.
Die Familienkasse nahm die Auszahlungen entsprechend vor, die GmbH berücksichtigte sie allerdings nicht als negative Einnahmen des Klägers. Damit wurde der volle Bruttoarbeitslohn der Lohnsteuer unterworfen und auch als solcher an das Finanzamt übermittelt.
Entscheidung: Kindergeld stellt eine Steuervergütung dar
In einer vom ihm gefertigten Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger einen um das Kindergeld geminderten Bruttoarbeitslohn. Das Finanzamt lehnte diese Kürzung ab. Auf dem Gerichtsweg bekam der Kläger nun aber vor dem Bundesfinanzhof (BFH) recht.
Bei einer Nettolohnvereinbarung sind neben dem Nettolohn auch diejenigen Vorteile zu erfassen, die in einer Übernahme von Lohnsteuer und Arbeitgeber-Anteilen zur Sozialversicherung liegen. Lässt sich ein Arbeitgeber die Steuererstattungsansprüche des Arbeitnehmenden abtreten, führt dies im jeweiligen Erstattungsjahr zu einem Abzug vom laufenden Bruttoarbeitslohn. Nichts anderes gilt nach Auffassung der Richter für das Kindergeld, das eine Steuervergütung darstellt. Der Kläger hatte das Kindergeld daher zutreffend vom Bruttoarbeitslohn in Abzug gebracht.
Tipp:
Übernimmt der Arbeitgeber, der mit vorübergehend Beschäftigen aus dem Ausland unter Abtretung der Steuererstattungsansprüche eine Nettolohnvereinbarung abgeschlossen hat, die Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen, wendet er damit nach neuerer Rechtsprechung regelmäßig keinen Arbeitslohn zu.
Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen: Was zählt zum Schonvermögen und was nicht?
Die Wertgrenze i. H. v. 15.500 EUR für „ein geringes Vermögen“ (sog. Schonvermögen) ist für das Streitjahr 2019 nicht zu beanstanden. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen.
Hintergrund
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2019 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie im Zeitraum 1.1. bis 30.9.2019 geleistete Unterhaltszahlungen an ihren während dieser Zeit auswärts studierenden Sohn (S) i. H. v. 10.537 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Unterhaltszahlungen setzten sich aus Mietzahlungen i. H. v. 3.905 EUR, Zahlungen für den Lebensunterhalt i. H. v. 4.500 EUR (mtl. 500 EUR) sowie für Bekleidung i. H. v. 690 EUR (mtl. 76,69 EUR), Zahlungen für die Kranken- und Pflegeversicherung i. H. v. 1.123 EUR sowie die Zahlung für die Einschreibegebühr der Universität i. H. v. 319 EUR zusammen.
Den Lebensunterhalt (500 EUR) für den Monat Januar überwiesen die Kläger S bereits am 28.12.2018.
Nachdem das Finanzamt die Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung aufgefordert hatte, die einzelnen Zahlungen sowie das Vermögen des Sohnes durch geeignete Unterlagen nachzuweisen, ergaben sich aus den vorgelegten Bestätigungen der Sparkasse für die Konten des S Saldenstände von 15.950,91 EUR (1.1.2019) bzw. 16.216,95 EUR (30.9.2019).
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der von den Klägern geltend gemachten Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ab, weil S ausweislich der Saldenbestätigungen der Sparkasse über mehr als den Betrag von 15.500 EUR verfügt und damit nicht nur ein geringes Vermögen besessen habe.
Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die erhobene Klage ab.
Im Revisionsverfahren begehrten die Kläger die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen i. H. v. 9.414 EUR sowie Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung ihres Sohnes i. H. v. 1.123 EUR als außergewöhnliche Belastungen.
Entscheidung
Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und damit Unterhaltsaufwendungen nicht zwangsläufig anfallen, wenn der Empfänger eigenes, nicht nur geringfügiges Vermögen hat. Denn der Unterhaltsberechtigte steht grundsätzlich in der Pflicht, eigenes Vermögen im Rahmen des Zumutbaren für seinen Unterhalt einzusetzen und zu verwerten, und zwar ungeachtet der Art der Anlage gegebenenfalls auch durch Substanzverbrauch.
Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur ein geringes Vermögen verfügt (sog. Schonvermögen), ist unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert des Vermögens beziehungsweise dessen Verkehrswert zu entscheiden; ein Wert von bis zu 15.500 EUR ist in der Regel gering.
An dieser, von den Finanzbehörden bereits seit 1975 angewandten Wertgrenze, an der sich bislang auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung orientiert hat, hält der BFH auch für das Streitjahr 2019 fest.
Denn ein Vermögen oberhalb dieser Wertgrenze lässt die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers bei typisierender (steuerlicher) Betrachtung auch im Jahr 2019 entfallen. Dies folgt aus dem Umstand, dass dieser Betrag deutlich über dem für den Veranlagungszeitraum 2019 geltenden Grundfreibetrag i. H. v. 9.168 EUR liegt und damit zur Sicherung des (Jahres-)Existenzminimums des Unterhaltsberechtigten ausreicht.
Nach diesen Rechtsgrundsätzen sind die von den Klägern geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
So ist unstreitig, dass S gegenüber den Klägern im Streitjahr zivilrechtlich unterhaltsberechtigt war. Auch stand weder den Klägern noch einem Dritten für S ein Anspruch auf einen Freibetrag für Kinder oder auf Kindergeld zu.
Überdies verfügte S entgegen der Auffassung des Finanzamts im maßgeblichen Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.2019 lediglich über ein geringes Vermögen. Denn auf Basis der vorgelegten Saldenbestätigungen der Sparkasse lag es nach Bereinigung um Unterhaltsleistungen unterhalb der nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Wertgrenze von 15.500 EUR.
Unterhaltsleistungen sind nicht in die Berechnung des Vermögens einzubeziehen. Denn es handelt sich hierbei um die notwendigen Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs. Sie sind zum Verbrauch bestimmt und nicht zur Vermögensbildung vorgesehen. Unterhaltszahlungen lassen die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht entfallen, sie sind ihr vielmehr geschuldet. Dies gilt auch für solche Unterhaltszahlungen, die vom Unterhaltsempfänger bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums beziehungsweise bis zum unterjährigen Ende der gesetzlichen Unterhaltspflicht angespart und noch nicht verbraucht werden. Gesetzliche Unterhaltszahlungen, die dazu gedacht sind, eine zivilrechtlich unterhaltsberechtigte Person dazu zu befähigen, die Kosten ihres Lebensunterhalts zu bestreiten, können vor diesem Hintergrund nicht bereits im Zeitpunkt des Zuflusses dem (abzugsschädlichen) Vermögen zugeordnet werden.
Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Unterhaltsleistungen regelmäßig nicht monatsgetreu, sondern im Jahresverlauf schwankend verbraucht werden.
Nach diesen Maßstäben ist das vom Finanzamt ermittelte Vermögen des S jeweils um die monatlichen Unterhaltszahlungen der Kläger – und damit um die Beträge für den Lebensunterhalt (mtl. 500 EUR) und für Bekleidung (mtl. 76,69 EUR) – zu mindern. Die Miete wurde von den Klägern unmittelbar an die Vermieterin gezahlt und war daher nicht zu berücksichtigen.
Die Minderung des Vermögens des S ist auch im Hinblick auf die bereits am 28.12.2018 von den Klägern geleistete Zahlung für den Lebensunterhalt für Januar 2019 vorzunehmen. Die Zahlung gilt dem S als im Kalenderjahr 2019 zugeflossen. Sie gehört auch wirtschaftlich betrachtet zum Streitjahr, da laufender Kindesunterhalt zivilrechtlich durch Entrichtung einer Geldrente im Voraus zu leisten ist. Somit ist das für den 1.1.2019 auf Basis der Banksalden errechnete Vermögen jedenfalls um 500 EUR zu mindern, sodass S zu Beginn des Streitjahres ein Vermögen i. H. v. maximal 15.450,91 EUR besaß.
Dieses Vermögen ist im streitigen Zeitraum auch nicht auf einen Betrag von über 15.500 EUR angewachsen. Der vom Finanzamt auf Basis der Banksalden errechnete Vermögenszuwachs des S beruht allein auf „unschädlich“ angesparten Beträgen aus nicht verbrauchten Unterhaltszahlungen des Streitzeitraums. Denn es ist nicht ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitraum Zuführungen aus anderen Quellen (wie z. B. aus Schenkungen oder Arbeitseinkünften) in das Vermögen des S erfolgt sind.
Die Unterhaltsaufwendungen der Kläger sowie ihre Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung des Sohnes können indes nur i. H. v. insgesamt 7.999 EUR als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, sodass die Klage in Höhe diesen überschreitenden Betrags abzuweisen war.
Unterhaltsaufwendungen können bis zur Höhe des Grundfreibetrags – im Streitjahr 9.168 EUR – abgezogen werden. Dieser Höchstbetrag ermäßigt sich um 3/12 auf 6.876 EUR, da die Kläger die Unterhaltsaufwendungen nur während des Studiums ihres Sohnes in den Monaten Januar bis September getragen haben. Der Höchstbetrag erhöht sich noch um die von den Klägern in den Monaten Januar bis September aufgewandten Beiträge für die Basisabsicherung der Kranken- und Pflegeversicherung des S i. H. v. 1.123 EUR und beträgt damit insgesamt 7.999 EUR.
Formaldehydbelastung: Sind Baumaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen abziehbar?
Wird im Schlafzimmer eines Altbaus zwar eine Formaldehydkonzentration über dem Grenzwert festgestellt, die übrigen Räume des Hauses aber nicht untersucht und lediglich die Abdichtung von Fugen und Öffnungen sowie eine Verbesserung der Lüftung empfohlen, sind die Aufwendungen für den vom Steuerpflichtigen veranlassten Abriss und eines Neubaus nicht notwendig und sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
Hintergrund
Im Altbau des vom Kläger erworbenen Einfamilienhauses wurde bei einer baubiologischen Untersuchung im Schlafzimmer des Hauses eine Formaldehydkonzentration von 0,112 ppm festgestellt. Der Hausarzt des Klägers erteilte ein Attest, wonach die Belastung des häuslichen Raumklimas durch Baugutachten zur Schadstoffbelastung mit Formaldehyd belegt sei. Um gesundheitlichen Schaden abzuwenden, riet er dem Kläger "wenn möglich" zur Sanierung.
Durch eine Sanierung bzw. einen Teilabriss entstehende Kosten seien im "im weiteren Sinne […] Gesundheitskosten". Der Kläger hat den Altbau abreißen und einen Neubau errichten lassen und die Kosten i. H. v. ca. 260.000 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. Das Finanzamt hat die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt, da eine konkrete Gesundheitsgefährdung nicht durch ein amtlich technisches Gutachten nachgewiesen worden sei. Mit seinem Einspruch und sodann mit der Klage trug der Kläger vor, dass es nicht gelungen wäre, ein kontaminiertes Haus ganz abzudichten. Die Gesundheitsgefährdung wäre immer noch vorhanden gewesen und im Laufe der Zeit, bei einer Ermüdung des Materials, immer schlimmer geworden. Da ein Verkauf des Hauses nicht möglich gewesen sei und eine Sanierung nicht zum Ziel geführt hätte, habe er das Haus abreißen und neu bauen müssen.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Der Umstand, dass ein vor Durchführung der Beseitigungs- bzw. Wiederherstellungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nicht vorgelegen habe, stehe dem Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung grundsätzlich nichts entgegen. Gleichwohl habe der Kläger nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte.
Im Hinblick auf die Belastung der Raumluft mit Formaldehyd in einem Wohnhaus ist beim Überschreiten des Grenzwertes von 0,1 ppm von einer konkreten Gesundheitsgefährdung auszugehen. Da jedoch außer dem Schlafzimmer die übrigen Räume des Hauses von dem Diplom-Ingenieur nicht untersucht worden seien und zur Behebung der Schadstoffbelastung lediglich Minimierungsmaßnahmen wie die Abdichtung von Fugen und Öffnungen nicht aber einen Abriss und Neubau des Gebäudes empfohlen worden sei, waren nach Auffassung des FG die Aufwendungen für den vom Kläger veranlassten kompletten Abriss des Bestandsgebäudes und eines Neubaus nicht notwendig und sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. In einer Gesamtschau hat das FG zudem zu berücksichtigen, dass der Formalaldehyd-Grenzwert von 0,1 ppm nur geringfügig überschritten wurde und damit die Emissionen mit einem geringeren Aufwand als dem vollständigen Abriss und Neubau auf ein unbedenkliches Niveau hätten gesenkt werden können.
Begrenzung der rückwirkenden Auszahlung von Kindergeld: Auch für Zeiträume vor dem 18.7.2019?
Für Kindergeldanträge, die nach dem 18.7.2019 gestellt werden, wird Kindergeld nur für die letzten 6 Monate vor Antragstellung ausgezahlt. Dies gilt auch für Zeiträume vor dem 18.7.2019.
Hintergrund
Der Kläger beantragte am 5.8.2019 die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes für die Zeit vom August 2018 bis Oktober 2019 für das Kind A.
Mit Bescheid vom 7.5.2020 setzte die Familienkasse das Kindergeld für das Kind A für den beantragten Zeitraum August 2018 bis einschließlich Oktober 2019 fest.
Jedoch wurde die Auszahlung auf den Zeitraum Februar 2019 bis Oktober 2019 begrenzt – für den Zeitraum August 2018 bis einschließlich Januar 2019 wurde keine Auszahlung verfügt.
Hiergegen wandte sich der Kläger und begehrte, die 6- Monatsfrist für Kindergeldzeiträume vor dem 18.7.2019 nicht anzuwenden, auch wenn er den Kindergeldantrag nach diesem Stichtag gestellt hatte.
Dem folgte die Familienkasse nicht.
Das FG schloss sich der Auffassung des Klägers nicht an.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Für Kindergeldanträge, die nach dem 18.7.2019 eingehen, kommt 6-Monatsfrist zur Anwendung. Danach erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld nur für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist (Ausschlussfrist).
Für die Anwendung der Ausschlussfrist kommt es nur auf den Zeitpunkt des Antragseingangs („nach dem 18.7.2019“) und nicht auf die Entstehung des Kindergeldanspruchs an.
Nach Auffassung des BFH ist diese zeitliche Grenze nicht willkürlich; vielmehr lässt sie sich sachlich rechtfertigen. Hierdurch sollen realisierbare Kindergeldansprüche vor Festsetzungsverjährung verhindert werden, die sich aus Änderungen der Rechtsprechung ergeben.
Die Ausschlussfrist liegt innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Kindergeldberechtigte wird durch diese Regelung nicht daran gehindert, einen Kindergeldantrag zeitnah zu stellen.
Recht auf Einsicht in Steuerakten?
Die Einsichtnahme in Steuerakten nach Durchführung des Besteuerungsverfahrens ist zwar ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige hiermit steuerverfahrensfremde Zwecke verfolgen will. Hiervon unberührt bleibt aber ein Auskunftsanspruch über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Hintergrund
Das Finanzamt hatte gegen die Kläger Einkommensteuer für 2015 festgesetzt. Nach Bestandskraft des Bescheids beantragten sie Einsicht in die für sie geführte Einkommensteuerakte. Sie führten an, ihr damaliger Steuerberater habe sie nicht über den Gang des Veranlagungsverfahrens informiert. Die Kläger erwogen, einen Schadenersatzanspruch gegen den Steuerberater geltend zu machen.
Das Finanzamt lehnte den Antrag – zuletzt mit Einspruchsentscheidung – ab. Die AO sehe für das Verwaltungsverfahren kein Akteneinsichtsrecht vor. Auch die Voraussetzungen eines übergesetzlichen, im Ermessen der Verwaltung stehenden Einsichtsrechts lägen nicht vor. Die Kläger hätten hierfür kein berechtigtes Interesse dargelegt, zumal sich ein solches nicht aus der Prüfung von Regressansprüchen ergebe. Der Umstand, dass die Akteneinsicht erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids beantragt worden sei, führe zudem dazu, dass der Antrag zwingend abzulehnen sei.
Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Während des Klageverfahrens beantragten die Kläger beim Finanzamt nach der DSGVO die Einsichtnahme in die Einkommensteuerakte. Auch diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab.
Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH entscheidet, dass die Revision begründet ist, soweit das FG den Klägern ein Einsichtsrecht in die für sie geführte Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zugesprochen hat. Insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und, da die Sache spruchreif ist, die Klage abzuweisen. Im Übrigen ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen.
Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, den Klägern stehe infolge einer Ermessensreduzierung auf null ein Anspruch auf Einsichtnahme in die beim Finanzamt für sie geführte Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zu.
Die Kläger hätten Akteneinsicht nicht während des Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer des Jahres 2015, sondern erst in dessen Nachgang, d. h., nach Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung beantragt. Der einer Akteneinsicht innewohnende Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs werde in diesem – nachgelagerten – Stadium grundsätzlich nicht mehr berührt.
Frei von Rechtsfehlern habe das FG den Klägern dem Grunde nach jedoch ein Auskunftsrecht nach der DSGVO zuerkannt. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Norm sei eröffnet. Ausschlussgründe für einen Auskunftsanspruch lägen indes nicht vor.
Dass das Finanzamt im Zuge der Einkommensteuerveranlagung für 2015 die Kläger betreffende personenbezogene Daten verarbeitet habe, bedürfe keiner weitergehenden Erörterung. Zudem sei der Anwendungsbereich der DSGVO nicht auf den Bereich der harmonisierten Steuern beschränkt. Ebenso wenig stehe der Anwendung der DSGVO entgegen, dass die personenbezogenen Daten der Kläger in einer Akte enthalten seien, die vom Finanzamt noch in Papierform geführt worden sei oder werde.
Schließlich stehe dem Auskunftsrecht nach der DSGVO nicht entgegen, dass die Kläger mit ihrem auf diese Norm gestützten Begehren ersichtlich keine datenschutzrelevanten Gründe verfolgten. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse die betroffene Person ihren Antrag auf Auskunft nicht begründen, was zugleich bedeute, dass er auch nicht zurückgewiesen werden könne, wenn mit ihm ein anderer Zweck verfolgt werde als der, von der Verarbeitung Kenntnis zu nehmen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Das Steuergeheimnis werde im Streitfall nicht berührt. Zu schützen seien die personenbezogenen Daten „eines anderen“, mithin fremde personenbezogene Daten. Die eigenen Daten des Steuerpflichtigen seien konsequenterweise ihm gegenüber nicht geschützt. Hierüber sei ihm Auskunft zu erteilen, wenn die Daten nicht zugleich die personenbezogenen Daten eines Dritten seien. Zwar könnten auch die Daten eines steuerlichen Beraters dem Geheimnisschutz unterliegen. Dies gelte aber nicht für Daten, die ein Bevollmächtigter für den Steuerpflichtigen an die Finanzbehörde übermittelt habe.
Scheinselbstständigkeit: Reitlehrerin ohne eigene Pferde
Ein Reitverein ist verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge für eine Reitlehrerin zu zahlen, wenn diese abhängig beschäftigt ist. Indizien für eine Scheinselbstständigkeit sind die unentgeltliche Nutzung der vereinseigenen Pferde und der Reithalle sowie das Fehlen eines unternehmerischen Risikos.
Hintergrund
Eine Reitlehrerin unterrichtete Mitglieder eines gemeinnützigen Reitvereins mit den vereinseigenen Schulpferden auf dem Vereinsgelände zwischen 12 und 20 Stunden wöchentlich. In den Jahren 2015 bis 2018 zahlte ihr der Verein pro Reitstunde 18 EUR.
Die Deutsche Rentenversicherung prüfte den Betrieb des Reitvereins. Sie stellte fest, dass die Reitlehrerin abhängig beschäftigt ist und forderte von dem Verein Rentenversicherungsbeiträge nach. Der Reitverein wandte hiergegen ein, dass die Reitlehrerin selbstständig tätig sei.
Entscheidung
Das Landessozialgericht gab der Rentenversicherung Recht. Die Beitragsnachforderung sei rechtmäßig. Eine abhängige Beschäftigung liege vor. Zwar könne ein nebenberuflicher Übungsleiter oder Trainer in Sportvereinen auch selbstständig tätig sein, wie das Vertragsmuster „Freier-Mitarbeiter-Vertrag Übungsleiter Sport“ der Rentenversicherung belege. Ein solcher Vertrag sei jedoch vorliegend zwischen dem Reitverein und der Reitlehrerin nicht geschlossen worden.
Zudem sprächen im konkreten Einzelfall mehr Anhaltspunkte für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung. So habe die Reitlehrerin kein unternehmerisches Risiko getragen. Sie habe keine Rechnungen erstellt und ausschließlich die vereinseigenen Pferde einschließlich Sattel und Zaumzeug genutzt, wofür sie - wie auch für die Nutzung der Reithalle - kein Entgelt gezahlt habe. Die Hallenzeiten habe sie mit dem Reitverein abgestimmt. Der Reitverein habe die Stundenvergütung vorgegeben. Die Jahresvergütung von durchschnittlich über 6.500 EUR habe die steuerfreie Aufwandspauschale für Übungsleiter weit überschritten. Schließlich habe der Reitverein auf seiner Homepage mit „unsere Reitlehrerin“ geworben und selbst die Verträge über den Reitunterricht mit den Reitschülern geschlossen.
Unfall ohne Fahrerlaubnis und Regress der Versicherung
Muss eine Kfz-Haftpflichtversicherung für den Schaden aufkommen, den ein Autofahrer ohne gültigen Führerschein verursacht hat? Hat sie Regressansprüche und wenn ja, in welcher Höhe?
Hintergrund
Ein Autofahrer kollidierte beim Linksabbiegen mit einem von hinten überholenden Fahrzeug. Am überholten Fahrzeug entstand ein Schaden von ca. 30.000 EUR. Das Besondere an diesem Fall war, dass der Fahrer des links abbiegenden Fahrzeugs nicht im Besitz einer für Deutschland gültigen Fahrerlaubnis war.
Die Haftpflichtversicherung des Linksabbiegers regulierte zunächst den Schaden, nahm dann aber den Unfallfahrer i. H. v. 5.000 EUR in Regress. Der Unfallfahrer war zwar nicht Versicherungsnehmer. Er war aber mitversichert.
Entscheidung
Das Amtsgericht bestätigte den Regressanspruch der Versicherung gegen den Unfallfahrer.
Im Außenverhältnis hafte die klagende Versicherung, im Innenverhältnis könne sie gegenüber dem Beklagten Regress verlangen, obwohl der beklagte Unfallfahrer nicht Versicherungsnehmer war, so das Gericht. Begründung: Für mitversicherte Personen fänden die Regelungen zu den Pflichten des Versicherungsnehmers sinngemäß Anwendung.
Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge sei hinsichtlich beider Parteien die Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Bei dem Beklagten müsse berücksichtigt werden, dass er seine Rückschaupflicht vor dem Abbiegen missachtet habe. Der Überholende wiederum sei mit leicht überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe den Überholvorgang nicht abgebrochen.
Zwar konnte die klagende Versicherung nach Ansicht des Gerichts keinen Vorsatz bei der Obliegenheitsverletzung nachweisen. Die Pflichtverletzung sei jedoch als sehr schwerwiegend anzusehen. Das Erfordernis einer Fahrerlaubnis solle gerade die Gefahren ausschließen, die von ungeeigneten Fahrern ausgingen. Bei dem Beklagten habe die Obliegenheitsverletzung bereits 2,5 Jahre angedauert – so lange sei er ohne gültige Fahrerlaubnis gefahren.
Das Gericht kam zur Einschätzung, dass der Beklagte den überwiegenden Teil des Schadens – konkret 80 % – tragen müsse. Allerdings ist der Betrag, den die klagende Versicherung beim Beklagten in Regress nehmen kann, auf 5.000 EUR begrenzt.
Muss eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH das beA nutzen?
Vor dem 1.8.2022 bestand für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als Bevollmächtigte keine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs, und zwar auch dann nicht, wenn sie durch einen Rechtsanwalt als Vertreter handelte.
Hintergrund
Der Kläger hatte gegen einen Haftungsbescheid Einspruch eingelegt. Dieser blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, in der ein Hinweis auf eine Klageerhebung auf elektronischem Übermittlungsweg nicht enthalten war.
Der Kläger erhob innerhalb der Klagefrist per Telefax Klage vor dem FG. Er war dabei vertreten durch seine damalige Prozessbevollmächtigte, die X Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Zweigniederlassung Y (Rechtsanwalts-GmbH). Bereits seit dem 17.7.2020 bestand zugunsten dieser Rechtsanwalts-GmbH – seinerzeit unter einer anderen Firma – eine Vollmacht des Klägers.
Die Klageschrift war unterzeichnet im Namen der Rechtsanwalts-GmbH von dem Prokuristen M und versehen mit dem Zusatz "Rechtsanwalt/Steuerberater" und in der Folgezeile "Fachanwalt für Steuerrecht". Auf dem Briefkopf der Rechtsanwalts-GmbH war M als "Ansprechpartner" und in der Fußzeile des Briefkopfes als anwaltlicher Berufsträger benannt.
Aufgrund eines gerichtlichen Hinweises auf § 52d Satz 1 FGO beantragte die Rechtsanwalts-GmbH – erneut unter einer anderen Firma – zunächst eine Fristverlängerung und trug sodann innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist schriftsätzlich vor, § 52d FGO sei vor dem 1.8.2022 auf eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nicht anwendbar. Die vorgenannten Schriftsätze gingen per Telefax beim FG ein. Mit einem weiteren Schriftsatz begründete die Rechtsanwalts-GmbH – unter der neuen Firma – die Klage in der Sache. Diesen Schriftsatz übermittelte eine für die Rechtsanwalts-GmbH tätige Rechtsanwältin über das für sie eingerichtete beA.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Es erklärte, die Klage sei nicht in der gesetzlichen Form nach §§ 52d, 52a FGO innerhalb der Klagefrist erhoben worden. Soweit die Rechtsanwalts-GmbH durch die Klagebegründung erstmals einen den Anforderungen entsprechenden Schriftsatz elektronisch eingereicht habe, sei dies nicht innerhalb der Klagefrist erfolgt. Dabei habe die Klagefrist einen Monat betragen, da die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung den Anforderungen entsprochen habe. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass die Revision begründet ist und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung führt.
Das FG hat die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Die Sache ist zurückzuverweisen, da sich das FG nicht mit dem Vorbringen der Beteiligten in der Sache befasst und den Sachverhalt nicht festgestellt hat.
Die finanzgerichtliche Klage ist innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Die per Telefax beim FG vor Ablauf der Monatsfrist eingegangene Klage hat diese Frist gewahrt, weil sie der vorgegebenen Form entsprochen habe und nicht den Vorgaben der §§ 52a, 52d FGO unterlag.
Eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ergibt sich nicht aus § 52d Satz 2 FGO. Für die Prozessbevollmächtigte des Klägers, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, hat ein sicherer Übermittlungsweg erst ab dem 1.8.2022 zur Verfügung gestanden. Erst ab diesem Zeitpunkt hat die Bundesrechtsanwaltskammer für eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ein beA als Gesellschaftspostfach eingerichtet. Mithin sind Berufsausübungsgesellschaften daher erst ab diesem Zeitpunkt zur Nutzung des beA gegenüber den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit verpflichtet.
Mangels sicheren Übermittlungswegs hat sich für die Rechtsanwalts-GmbH bei Einreichung der Klageschrift keine Nutzungspflicht zur Übermittlung der Klageschrift als elektronisches Dokument ergeben.
Eine Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für die Rechtsanwalts-GmbH ergibt sich auch nicht aus § 52d Satz 1 FGO. Denn nach dieser Vorschrift sind – neben Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts – lediglich Rechtsanwälte, die in ihrer beruflichen Funktion als Rechtsanwalt selbstständig tätig sind und ein beA unterhalten müssen, verpflichtet, vorbereitende und bestimmende Schriftsätze unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln. Rechtsanwaltsgesellschaften sind demgegenüber von dem Wortlaut des § 52d Satz 1 FGO nicht erfasst.
Eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ergibt sich für die Rechtsanwalts-GmbH auch nicht aus dem Umstand, dass sie durch M als Vertreter gehandelt hat, der eine Zulassung als Rechtsanwalt besaß, auf dem Briefkopf der Rechtsanwalts-GmbH als "Ansprechpartner" und in der Fußzeile des Briefkopfes als Berufsträger ausgewiesen war sowie die Klageschrift mit dem Zusatz "Rechtsanwalt/Steuerberater" und in der Folgezeile "Fachanwalt für Steuerrecht" unterzeichnet hatte. Dieser hätte als Organ oder Vertreter der Rechtsanwalts-GmbH zwar das für ihn eingerichtete beA nutzen können, aber nicht müssen.
Nach Maßgabe des Gebots des effektiven Rechtsschutzes darf eine Klage nur dann aufgrund eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als unzulässig abgewiesen werden, wenn ein eindeutiger Verstoß dagegen vorliegt. In Zweifelsfällen – etwa dann, wenn es unklar erscheint, ob eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von dem Normbefehl erfasst ist oder nicht – ist einer rechtsschutzgewährenden Auslegung der Norm der Vorrang einzuräumen und die Klage als zulässig anzusehen.
So gelingt ein rechtssicherer Nachweis des Zugangs von Erklärungen
Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Kündigung hat ein Einwurf-Einschreiben ohne Vorlage eines Auslieferungsbelegs praktisch keine Beweiskraft.
Hintergrund
In dem entschiedenen Fall hatte eine Praxisgemeinschaft von Augenärzten einer Mitarbeiterin mehrfach durch per Einwurf-Einschreiben übermittelte Kündigungen das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt. Die Mitarbeiterin erhob gegen die Kündigungen Kündigungsschutzklage und wendete u. a. ein, die erste fristlose sowie die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung nicht erhalten zu haben. Durch ihre Einwendungen verschob sich der schließlich maßgebliche Kündigungszeitpunkt um nahezu ein Jahr.
Die beklagten Augenärzte legten zum Beweis des Zugangs des Kündigungsschreibens lediglich den Einlieferungsbeleg für das zur Post gegebene Einwurf-Einschreiben vor.
Entscheidung
Dies genügte dem LAG als Zugangsnachweis nicht. Erst wenn neben dem Einlieferungsbeleg ein Auslieferungsbeleg vorgelegt werde, stehe erkennbar die konkret identifizierbare Person des Postzustellers als "Gewährsperson" hinter der Behauptung eines ordnungsgemäßen Zugangs. Nach gefestigter Rechtsprechung spreche ein Anscheinsbeweis für den tatsächlichen Eingang eines Schreibens beim Empfänger, wenn der Einwurf in den Briefkasten des Empfängers durch einen Auslieferungsbeleg der Deutschen Post AG dokumentiert werde.
Der von den Beklagten zusätzlich zum Einlieferungsbeleg vorgelegte Sendestatus änderte nach Auffassung des LAG an diesem Ergebnis nichts. Die Erstellung des Sendestatus erfolge in einem maschinellen Verfahren ohne menschliches Zutun. Der Sendestatus weise weder den Namen des Zustellers noch dessen Unterschrift aus. Die Vorlage eines Einlieferungsbelegs mit Sendestatus genüge daher auch nicht den Anforderungen an einen Anscheinsbeweis.
Das Gericht beanstandete, dass die Beklagten nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, innerhalb von 15 Monaten nach Aufgabe des Einwurfeinschreibens unter Angabe der Sendungsnummer bei der Post einen Auslieferungsbeleg zu beantragen. Beim Einwurf-Einschreiben dokumentiere der hiermit betraute Mitarbeiter der Deutschen Post den Einwurf der eingeschriebenen Sendung in den Empfängerbriefkasten mit einer genauen Datums- und Uhrzeitangabe. Mithilfe des Auslieferungsbelegs seien die zustellende Person sowie das Datum und der Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten identifizierbar. Daher sei der Auslieferungsbeleg beweiserheblich.
Das LAG Baden-Württemberg weist in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass der Einwurf in den Hausbriefkasten des Empfängers durch einen persönlich bekannten Boten eine wesentlich sicherere Form für den Nachweis des Zugangs als das Einwurf-Einschreiben ist. Der Bote könne problemlos als Zeuge für die Zustellung – am besten auch für den Inhalt des Schreibens – benannt werden. Die Zustellung über Boten wird in der Praxis bei wichtigen Schreiben insbesondere von Unternehmen deshalb immer häufiger genutzt. Dazu trägt wohl auch der Umstand bei, dass inzwischen einige gewerbsmäßige Anbieter die Übermittlung von Schriftstücken über persönliche Boten unter Erstellung eines Zustellungsprotokolls anbieten.
Kündigung wegen Verstoß gegen Kleidervorgaben wirksam?
Ein Arbeitgeber darf Mitarbeitenden eine rote Hose als Schutzkleidung vorschreiben. Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, eine solche zu tragen, rechtfertigte seine Kündigung.
Hintergrund
Im entschiedenen Fall existierte eine Kleiderordnung im Betrieb. Diese sah vor, dass der Arbeitgeber Mitarbeitenden für die Bereiche Produktion und Logistik funktionelle Arbeitskleidung stellt. Der Arbeitnehmer war im Produktionsbereich tätig. Die vom Arbeitgeber vorgesehene rote Schutzhose trug er jahrelang, dann weigerte er sich. Nachdem er mehrfach in schwarzer Hose zur Arbeit gekommen war, sprach der Arbeitgeber eine Abmahnung aus. Kurz darauf folgte die zweite. Der Arbeitnehmer störte sich daran nicht. Er möge die rote Hose nicht, teilte er mit und kam weiterhin mit schwarzer Hose zur Arbeit. Daraufhin folgte die Kündigung, gegen die sich der Arbeiter vor dem Arbeitsgericht Solingen wehrte. Die Klage vor dem Arbeitsgericht blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Auch vor dem Landesarbeitsgericht unterlag der Mann mit seiner Kündigungsschutzklage. Das Gericht entschied, dass die Kündigung rechtmäßig war. Der Arbeitgeber sei aufgrund seines Weisungsrechts berechtigt gewesen, die Farbe Rot für die Arbeitshose vorzugeben. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht betreffe die Sozialsphäre, daher reichten hier sachliche Gründe für die Rechtfertigung. Einen solchen Grund sah das Gericht zum einen im Sicherheitsaspekt. Anders als eine schwarze Hose erhöhe eine Hose in der der Signalfarbe Rot die Sichtbarkeit. Das sei sinnvoll, da der Mitarbeiter in einem Produktionsbereich arbeite, wo u. a. Gabelstaplerfahrer fahren.
Ein weiterer Grund für das Gericht, war die Corporate Identity, also das einheitliche Aussehen der Belegschaft in den Werkshallen. Hierauf könne der Arbeitgeber sich ebenfalls berufen, insbesondere da der Arbeitnehmer keine wichtigen Gründe vorgetragen habe, weshalb er die rote Hose nicht mehr tragen wolle. Allein lieber schwarz als rot tragen zu wollen, also das aktuelle subjektive Empfinden des Industriearbeiters, ließen die Richter nicht gelten. Dies könne nicht maßgeblich sein. Letztendlich fiel die Interessenabwägung des Gerichts zu Ungunsten von Verweigerern roter Hosen aus. Die Kündigung sei somit wirksam, entschied das LAG.